Das Coronavirus hält die Welt seit Monaten in Atem. Es gibt viele Tote und Schwerkranke. Lassen sich solche Pandemien im Keim ersticken?
Angesichts der Corona-Krise fordern immer mehr Forschende ein globales Frühwarnsystem für Viren aus dem Tierreich. Eine frühzeitige Entdeckung könnte in Zukunft ähnliche Pandemien verhindern, sagte Stephan Ludwig, Direktor des Instituts für Molekulare Virologie an der Uni Münster, in einem Podcast seiner Uni. Wichtig sei eine Überwachung von Schlüsselevents wie Lebend- oder Wildtiermärkten in Asien.
"Wenn bei Routine-Untersuchungen auf Lebendtiermärkten vermehrt Infektionen gefunden werden, muss sofort die Bremse reingehauen werden, um die schnelle Verbreitung zu stoppen", sagte Ludwig. Ein Frühwarnsystem könnte von der Weltgesundheitsorganisation oder den Vereinten Nationen eingerichtet werden.
Bereits Mitte Juli hatten WissenschaftlerInnen im Fachjournal "Science" ein solches Frühwarnsystem für Viren aus dem Tierreich gefordert. So könnten auf Tiermärkten und Tierfarmen bestimmte Arten systematisch auf große Virenfamilien wie etwa Coronaviren untersucht werden.
Kurz zuvor hatten Fachleute des UN-Umweltprogramms (UNEP) und des International Livestock Research Institute (ILRI) davor gewarnt, dass durch Ausbeutung der Tierwelt und Zerstörung von Ökosystemen immer öfter Tier-Krankheiten auf den Menschen übertragen werden könnten.
Virologe Ludwig verweist auf den Fund von 15 Infizierten 1997 in Hongkong. Damals sei das Vogelgrippe-Virus H5N1 aufgetreten und sofort seien drei Millionen Hühner geschlachtet worden, um die Verbreitung zu stoppen. Zwar sei das Virus Jahre später erneut aufgetreten, aber die erste Aktion sei richtig gewesen.
Die aktuelle Corona-Pandemie sei nicht leicht in den Griff zu kriegen, sagte Ludwig. Dennoch spricht er von einer Art Testfall eines "nicht so superaggressiven Virus, bei dem wir die ganzen Maßnahmen ausprobieren und durchtesten können". Es gebe auch andere Infektionen, bei denen jeder Zweite sterbe.
Ein Verbot von Lebendtiermärkten hält Ludwig für wenig realistisch. Das sei eine Überlegung am Reißbrett und ein Eingriff in die Hoheit von Nationen. "Diese Märkte gehören zum kulturellen Leben einer Nation. Wir können den Chinesen das schlecht vorschreiben." Eher stellt der Forscher die Frage in den Raum, warum es diese Märkte überhaupt gibt. "Tiere werden lebend verkauft, weil man zuwenig Konservierungsmöglichkeiten hat", sagt der Wissenschaftler aus Münster. Gefriertruhen könnten eine Lösung sein.
Ludwig sieht durch die Globalisierung eine steigende Gefahr durch Zoonosen. "Wir können jetzt von einem größeren Risiko reden, denn die Verbreitung hat sich geändert."