Gehört Vitamin D künftig zur Asthma-Medikation?

Die regelmäßige Gabe von Vitamin D reduziert die Anzahl kortisonpflichtiger Asthmaanfälle. Wir zitieren mit dieser Aussage keinen Nahrungsergänzungsmittel-Vertreiber, sondern die Autoren einer topaktuellen Cochrane-Analyse. Sie wurde vor ein paar Tagen beim ERS-Kongress in London vorgestellt.

Die regelmäßige Gabe von Vitamin D reduziert die Anzahl kortisonpflichtiger Asthmaanfälle. Wir zitieren mit dieser Aussage keinen Nahrungsergänzungsmittel-Vertreiber, sondern die Autoren einer topaktuellen Cochrane-Analyse. Sie wurde vor ein paar Tagen beim ERS-Kongress in London vorgestellt.

Assoziationen zwischen Vitamin-D-Mangel und Asthmaanfällen

Das Sonnenschein-Vitamin wird ja heute bekanntlich für viele heilbringende Wirkungen verantwortlich gemacht. Manches wird noch kontrovers diskutiert, anderes gilt mittlerweile als wissenschaftlich belegt. Beispielsweise wurden Hinweise darauf gefunden, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel im Blut mit einem erhöhten Risiko für Asthmaanfälle bei Kindern und Erwachsenen assoziiert sind. Das hat möglicherweise mit der Vermeidung von Atemwegsinfekten durch einen optimierten Vitamin-Status zu tun. Dadurch entfällt ein Risikofaktor, der das Asthma bronchiale verschlimmern kann.

Die Cochrane-Autoren fragten sich deshalb, ob man mit der Applikation von Vitamin D Asthma-Attacken verhindern oder die Asthma-Kontrolle verbessern oder beides kann.

Meta-Analyse soll die Frage klären: Hilft Vitamin-D-Supplementation bei Asthma?

In diversen klinischen Studien wurde bereits versucht, darauf eine Antwort zu finden. Wissenschaftlich betrachtet hapert es dabei allerdings nicht selten an einem vernünftigen Studiendesign. Die Ergebnisse derjenigen Studien, die nach Ansicht der Cochrane-Experten ein Hochwertigkeits-Prädikat verdienen, wurden bisher noch nicht als Gruppe untersucht, sprich einer Meta-Analyse zugeführt. Also machten sich die Wissenschaftler ans Werk.

Auf ihrer Suche nach geeigneten Publikationen, die bis in den Januar 2016 reichte, wurden sie letztlich bei zwei Studien mit insgesamt 658 Erwachsenen und sieben Studien mit 435 Kindern fündig. Die Asthma-Ausprägung war bei diesen Patienten überwiegend leichter bis moderater Natur. Sie nahmen über Beobachtungszeiträume von 4-12 Monaten zusätzlich zu ihrer gewohnten Asthma-Medikation Vitamin D ein. Alle Studien waren plazebokontrolliert.

Die Antwort: Ja, aber …

Die Ergebnisse der Meta-Analyse: In den Vitamin-D-Gruppen traten weniger schwere Asthmaanfälle auf, die die Einnahme oraler Steroide erforderten. Die durchschnittliche Zahl der Attacken pro Person und Jahr sank von 0,44 auf 0,28. Das Risiko einer ambulanten bzw. stationären Notfall-Behandlung konnte von 6% auf etwa 3% gesenkt werden.

Auf die Lungenfunktion oder die tagesaktuelle Asthma-Symptomatik hatte die Vitamin-D-Supplementation allerdings keinen relevanten Einfluss. Dafür wurde auch keine Zunahme an unerwünschten Ereignissen der schwerwiegenderen Art festgestellt.

Die Autoren bewerten diese Ergebnisse ganz im Sinne ihres Cochrane-Anspruchs als „high-quality evidence“, außer beim Nebenwirkungsrisiko („moderate-quality evidence”). Der Erstautor, Prof. Adrian Martineau vom Asthma-Zentrum der Queen Mary University of London, relativiert die tatsächliche Bedeutung des Cochrane Reviews für die Praxis gleich selbst: „Das Ergebnis ist spannend, aber einige Vorsicht ist angebracht.“

So waren die Patientenzahlen insgesamt doch recht gering. Für die Auswertung zu den Asthma-Attacken konnte neben den beiden Erwachsenen-Studien sogar nur eine Kinder-Studie (n = 22) herangezogen werden. Kinder sowie Erwachsene mit schwerem Asthma waren demnach unterrepräsentiert. Für sie (und andere Subgruppen) bedarf es weiterer prospektiver Studien.

Nie verkehrt: die Optimierung des Vitamin-D-Status!

Natürlich stellen sich für die Praxis noch einige weitere Fragen, etwa: Hängt die positive Wirkung von einem niedrigen Ausgangslevel an Vitamin D ab? Und von dessen Dosierung?

Es besteht also noch weiterer Forschungsbedarf, bevor hier eine evidenzbasierte Empfehlung für die gezielte therapeutische Ergänzung bei Asthmatikern gegeben werden kann. Dass Sie Ihren Patienten – auch aus anderen Gründen – zu einer möglichst optimalen Vitamin-D-Versorgung verhelfen sollten, bleibt davon allerdings unbenommen.

Referenzen:

Martineau AR et al. Vitamin D for the management of asthma. Cochrane Library 2016. doi: 10.1002/14651858.CD011511.pub2.

ERS (European Respiratory Society) International Congress 2016. London, 6. September 2016.