Der Entzündungsmarker Interleukin-6 (IL-6) ist ein potenzieller Risikofaktor für Suizidalität. Damit könnte es eine gemeinsame genetische Ursache für chronische Entzündungen und Depressionen geben. Möglicherweise sind Entzündungen sogar mitverantwortlich für depressive Symptome.
Nils Kappelmann vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) in München und seine KollegInnen von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der University of Cambridge analysierten eine Reihe genetischer Varianten, die unter anderem mit erhöhten Entzündungswerten und dem Body-Maß-Index (BMI) als Marker für Übergewicht und Regulierungsstörungen des Stoffwechsels in Verbindung stehen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal JAMA Psychiatry veröffentlicht.
Regulierungsstörungen des Immunsystems und des metabolischen Stoffwechsels haben demnach eine gemeinsame genetische Basis mit depressiven Symptomen. Ein hoher BMI scheint ursächlich mit den vier Depressionssymptomen Freud- und Interessenslosigkeit, Appetitveränderungen, Erschöpfung und Unzulänglichkeitsgefühlen in Zusammenhang zu stehen. Man sei überrascht gewesen, dass erhöhte Entzündungswerte, speziell Interleukin-6 (IL-6), einen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Suizidalität geben. IL-6 spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulation des Immunsystems und ist ein Marker für das Entzündungsgeschehen im Körper.
Depressionen äußern sich mit teils widersprüchlichen Symptomen. Eine Subgruppe, die als immuno-metabolische Depression bezeichnet wird und circa ein Viertel aller PatientInnen umfasst, weist Regulierungsstörungen des Immunsystems und des Stoffwechsels auf. Diese PatientInnen sprechen in der Regel schlechter auf klassische Antidepressiva oder Psychotherapie an. Entzündungshemmer, wie IL-6-hemmende Medikamente, könnten deshalb ein neuer Ansatz zur medikamentösen Therapie der Depression und Prävention von Suizidalität für diesen Subtyp sein.
"Diese Erkenntnisse haben klinische Relevanz, da sie dazu beitragen können, frühzeitig jene Patienten zu identifizieren, die auf eine Immuntherapie besser ansprechen als auf Antidepressiva", sagt Elisabeth Binder, Direktorin des MPI. "Außerdem könnte die Behandlung von Suizidalität verbessert werden. Hierfür ist allerdings noch weitere klinische Forschung erforderlich."