Das Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 fordert eine verbindliche und möglichst allumfassende Aufklärung der Patienten durch den Arzt. Ziel dieser Aufklärung soll es sein, dass der Patient "selbst" begründet über sich und die weiteren Therapieschritte entscheiden kann. Doch wie erleben Patienten die gemeinsame Therapieentscheidung mit dem Arzt in der täglichen Praxis? – Eine Meinungsumfrage der Selbsthilfegruppe Chronischer Schmerz aus Neumünster.
Donnerstagnachmittag, kurz nach 16 Uhr auf dem Schmerzkongress in Mannheim: Eine Frau mittleren Alters mit ergrautem Haar und einem in frischen Farben um den Hals gelegten Tuch tritt an das Rednerpult. Heike Norda ist keine Ärztin. Ja, sie sei nicht einmal Wissenschaftlerin, sagt sie in ihren ersten Worten. Dass sie heute hier oben stehen und zu der versammelten Fachschaft der Schmerzmediziner und -therapeuten sprechen darf, erfülle sie mit Stolz und lasse ihr Herz in Aufregung schneller schlagen. Doch was Frau Norda den Ärzten heute Nachmittag zu sagen hat, ist immens wichtig, spiegelt sie doch, stellvertretend für die vielen Schmerzpatienten in den Praxen, die Wünsche und Erwartungen sowie den unbändigen Willen wider, die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient nachhaltig im Sinne einer wirklichen gemeinsamen Therapieentscheidung zu verändern.
Heike Norda präsentiert Daten aus einer Patientenbefragung mit 100 ausgewählten Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus dem 1. Quartal 2017, die unter ihrer Federführung in Nordrhein-Westfalen durchgeführt worden war. Es sei nur eine kleine Umfrage und sicher nicht repräsentativ für ganz Deutschland, aber dennoch zeigen sich einige interessante Ansätze auch für die Ärzteschaft. Darüber hinaus nutzt Frau Norda sehr gern ihre Bühne, um aus den gewonnenen Daten, die Patientenwünsche abzuleiten und diese sind, wie wir noch sehen werden, ganzheitlich und auf gegenseitigen Respekt ausgerichtet.
Natürlich, so weist Frau Norda hin, ist nicht auszuschließen, dass sich gerade diejenigen Schmerzpatienten mit schlechten Erfahrungen verstärkt in der Umfrage engagiert haben, dennoch sind die Meinungen aller Patienten wichtig und sollten möglichst auf beiden Seiten Beachtung finden und zum Nachdenken anregen:
Ausgewählte Negativ-Zitate
Ausgewählte Positiv-Zitate
Insgesamt betrachtet wünschen sich Schmerzpatienten von ihren Behandlern, dass diese sie umfassender kennenlernen. Ein Arzt sollte gerade auch beim chronischen Schmerzpatienten die private und berufliche Situation des Patienten sehen, die Frau oder den Mann vor sich als ganzheitlich betrachten und nicht allein die isolierte Erkrankung. Darüber hinaus wünschen sich Patienten, neutral beraten zu werden, um gemeinsam zu einer abgestuften Behandlung zu finden. Besonders wichtig ist ihnen zudem, nicht aus möglicherweise finanziellen Beweggründen zu einer Operation gedrängt zu werden.
Als wichtigste Grundlage im Arzt-Patienten-Verhältnis gilt aber weiterhin das Vertrauen, welches auf beiden Seiten gefördert und ausgebildet werden muss. So entscheiden auf Arztseite die Zeit, die Erfahrung sowie das Empathievermögen, ob ein Patient das nötige Vertrauen entwickelt. Auf Patientenseite spielen die seelische Situation sowie das Vorwissen gemeinsam eine entscheidende Rolle. Beide Seiten zusammen bauen so ein vertrauensvolles Verhältnis auf, welches letztlich den Behandlungserfolg mitbestimmt.
Wenn es gelingt, die "Sprechende Medizin" in Ausbildung und Vergütung angemessen unterzubringen, ein grundsätzlich gutes Gesprächsklima zwischen Arzt und Patient aufzubauen, multimediale und digitale Aufklärungsinhalte vermehrt einzubeziehen und die Zusammenarbeit zwischen Arzt, Patient, weiteren Therapeuten und Selbsthilfegruppen zu stärken, dann ist aus Sicht der Patienten das Ziel der guten Medizin durch gute Kommunikation bestmöglich umgesetzt. "Alles zusammen fördert schließlich die Therapietreue und damit ebenso die Zufriedenheit auf beiden Seiten", so Heike Norda am Ende ihres augenöffnenden Vortrages von der anderen Seite des Schreibtisches.
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