Wohl kein anderer Mensch auf der Welt ist so gläsern wie Craig Venter. Schon vor rund 15 Jahren veröffentlichte der Wissenschaftler die erste genetische Blaupause eines einzelnen Menschen – seine eigene. Unter anderem geht daraus hervor, dass ihm möglicherweise – wie seinem Vater – ein früher Herzinfarkt droht. Zur Vorbeugung nehme er jetzt Cholesterinsenker und Tabletten gegen Alzheimer, schrieb Venter in seiner Autobiografie “Entschlüsselt. Mein Genom, mein Leben”. Die Informationen machten ihm aber keine Angst, sagte er einmal der Deutschen Presse-Agentur. “Die Kenntnis von unseren genetischen Risiken bedeutet Macht – die Macht, ihnen entgegenzusteuern.”
Doch das alles war nur der Anfang für Venter, der am kommenden Freitag (14. Oktober) 70 Jahre alt wird, und im Alter vor allem gegen das Altern kämpft. “Ich glaube nicht, dass es da vorgeschriebene Grenzen gibt”, sagte er jüngst dem Wall Street Journal. Er wolle die “gesunde Lebenszeit” verlängern. “Wenn wir es schaffen, die medizinischen Kosten zu verringern und die Lebensqualität der Menschen bis zu ihrem 100. Geburtstag zu verbessern, hätte das riesige Auswirkungen.”
Venter ist so schillernd wie umstritten. Mit schwindelerregendem Tempo kündigen er und sein Team immer wieder neue Entdeckungen und Vorhaben an. Ein Bakterium mit künstlichem Erbgut etwa, mit dem der Forscher die Welt vor einer Klimakatastrophe retten und neue Energiequellen erschließen will. Ziel sei es, die Biologie dazu zu bringen, “das zu tun, was wir wollen”. US-Präsident Barack Obama war über das Projekt so beunruhigt, dass er eine Expertenkommission einsetzte, um den ethischen Aspekt von Venters Vorhaben zu prüfen.
Zuletzt verkündete Venter, künftig das Genom von mindestens 40 000 Menschen pro Jahr analysieren zu wollen, um so eine riesige Datenbasis zur Forschung zu haben. Viele Kollegen werfen Venter Größenwahn, Narzissmus und einen zu stark ausgeprägten Geschäftssinn vor. Aber der Wissenschaftler hat auch schon viele Preise bekommen und mehrfach bewiesen, dass er scheinbar Unmögliches bewerkstelligen kann.
So forderte er 1999 ein internationales Forscherteam heraus, das schon lange an der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts gearbeitet hatte. Nach nur 15 Monaten erreichte er etwa zeitgleich mit dem staatlich geförderten Human Genome Project das Ziel. Sein neues Forschungsprojekt sei wie das von 1999, sagt Venter, “nur auf Steroiden und Kokain”.
Der 1946 geborene Forscher ist Sohn eines deutschstämmigen Buchhalters aus Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, war ein schlechter Schüler und schaffte gerade so den Abschluss. Statt an ein College ging er an den Pazifik und surfte drei Jahre, bis der Vietnamkrieg dem ein Ende setzte. Als Sanitäter im Krankenhaus der US-Marine in Danang verarztete er verwundete Landsleute. Danach studierte er Medizin und promovierte. Mehr als 280 Fachartikel hat er bislang veröffentlicht.
Frühere Firmen hat der Gen-Pionier zum J. Craig Venter Institut mit Büros in Rockville bei Washington und in San Diego in Kalifornien vereint. Von dort sticht er oft mit seiner “Sorcerer II” in See und holt Mikroorganismen vom Meeresboden. In diesem Universum liege für ihn der Schlüssel für die Zukunft, sagt Venter. “Wir kennen erst ein Prozent des Bakterien-Universums.”