Herzschwäche ist im Osten viel weiter verbreitet und es sterben deutlich mehr Menschen daran als im Westen. Der Grund ist unklar.
30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es in Ostdeutschland viel mehr Krankenhausaufnahmen wegen Herzschwäche als in Westdeutschland. Auch sterben im Osten deutlich mehr Menschen an Herzinsuffizienz. Das geht aus einer Studie der HFA Discoveries hervor, einer wissenschaftlichen Plattform der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC). Herzinsuffizienz gilt als häufigster Grund für Krankenhauseinweisungen in Deutschland.
Bislang seien die Forschenden davon ausgegangen, dass sich Anzahl und Dauer der Krankenhausaufenthalte und auch die Zahl der Toten durch Herzschwäche nach der Wiedervereinigung angleichen würden, sagte Erstautor Marcus Dörr von der Universitätsmedizin Greifswald. "Diese Hypothese musste verworfen werden - und in der Tat wurde das Gegenteil festgestellt", erklärte Dörr.
In der aktuellen Studie wurde die Entwicklung zwischen den Jahren 2000 und 2017 untersucht. Die ausgewerteten Daten stammen aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, einer jährlichen Erhebung von stationären Routinedaten. Das Forschungsteam stellte fest, dass die absolute Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz in ganz Deutschland von 2000 bis 2017 dramatisch zunahm, nämlich um 93,9 Prozent (von 239.694 Fällen pro Jahr auf 464.724 Fälle pro Jahr). Dieser Anstieg war in Ostdeutschland (+118,5 Prozent) deutlich stärker als in Westdeutschland (+88,3 Prozent).
2017 war die Herzinsuffizienz mit einem Anteil von 8,2 Prozent an den Todesfällen im Krankenhaus dort mit Abstand die häufigste Todesursache. Im Osten gab es 64 beziehungsweise 65 Todesfälle je 100.000 EinwohnerInnen in den Jahren 2000 und 2017, im Westen in denselben Jahren 39 beziehungsweise 43 Todesfälle je 100.000 EinwohnerInnen.
Dörr zufolge lässt sich der Unterschied nicht mit dem vier Jahre höheren Durchschnittsalter im Osten erklären. "Eine mögliche Erklärung für unsere Befunde könnte in der unterschiedlichen Prävalenz (Häufigkeit) von Risikofaktoren liegen, welche die Entstehung sowie das Fortschreiten und damit die Notwendigkeit für eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz beeinflussen", sagte er. So kämen Bluthochdruck, Diabetes und Adipositas in Ostdeutschland häufiger vor als in Westdeutschland. Verschiedene Strukturen der Patientenversorgung könnten die Unterschiede zumindest teilweise erklären, sagte Dörr. Noch seien die Gesundheitssysteme nicht vollständig angeglichen.
Professor Andreas Stang vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung sagte, die Studie sei so neu, dass er sie noch nicht kenne. Im Durchschnitt sei aber die Bevölkerung im Osten aber kränker als im Westen. So seien Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes mellitus wesentlich häufiger als in westdeutschen Bundesländern. "Dies löst mehr und schwere Herzkrankheiten aus", sagte er.
Dörr erklärte, weitere Forschung sei nötig. Zudem sei herauszufinden, ob solche regionalen Unterschiede auch in anderen europäischen Ländern bestehen.