Das Cochlea-Implantat ist nicht neu. Die Neuroprothese entstand in den 1970er Jahren entgegen vieler Widerstände und ermöglicht heute rund 700.000 Menschen ein Sprachverstehen in ruhiger Umgebung. Bislang geschieht das mittels elektrischer Reizübertragung. In der Regel werden taub oder hochgradig schwerhörig geborene Kinder heute bereits im ersten Lebensjahr mit einem Implantat versorgt. Dies ermöglicht den Kindern zum Beispiel eine normale Schule zu besuchen. Die elektrische Reizübertragung hat jedoch Schwächen. In lauteren Umgebungen kommt es zu enormen Störungen, und bei Menschen, die ihr Gehör zu einem späteren Zeitpunkt verloren haben, geht die Prothese mit einem starken Verlust der Hörqualität einher.
Das Problem der elektrischen Reizübertragung liegt in der schlechten Tonhöhenauflösung. Die Idee für ein optisches Cochlea-Implantat stammt aus der Erkenntnis, dass man Licht besser bündeln kann als Stromimpulse. Bildlich, erklärt Moser, kann man sich die Gehörschnecke wie eine Wendeltreppe vorstellen: Mit Strom kann man jedoch keine einzelnen Treppenstufen gezielt erreichen, sondern immer nur ganze Treppenabsätze, was zur schlechten Tonhöhenauflösung führt. Da es für dieses Problem keine geeignete Lösung gibt und die Forschung sich damit seit Jahren auf einem Plateau befindet, hat man sich zur radikalen Abkehr entschieden. Denn mit Licht kann man sehr viel gezielter arbeiten als mit Strom. Mit der Einbringung von 60 bis 200 Lichtquellen in die Gehörschnecke könnte also ein sehr viel detaillierteres und feineres Hören verwirklicht werden, mit dem auch Musikgenuß und Kommunikation in lauterer Umgebung keine Unmöglichkeit mehr sind. Da die Gehörzellen jedoch nicht lichtempfindlich sind, benötigt man hierzu die seit den 2000er Jahren entwickelte Optogenetik. Mit ihrer Hilfe können mittlerweile fast alle Prozesse einer Zelle mit Licht gesteuert werden. Hierzu werden lichtempfindliche Eiweiße verwendet, die auch zur Untersuchung der Gehirnfunktionen oder im kardiovaskulären Bereich bereits zum Einsatz kommen. Vereinfacht gesagt, können mit ihnen auch die Gehörnervenzellen lichtempfindlich gemacht werden.
Bei Versuchen an Nagetieren konnte dies bereits erfolgreich erprobt werden. Bevor das optische Cochlea-Implantat jedoch in die klinische Studie gehen kann, müssen noch weitere Daten erhoben werden. Die Immunantwort zwischen Nager und Mensch ist zu unterschiedlich und die Verhaltensuntersuchungen, die am Nagetier durchgeführt werden können, sind nicht so fortgeschritten, als dass man die bisherigen Ergebnisse direkt in eine klinische Studie überführen könnte. Zunächst sollen deshalb weitere Studien an nicht humanen Primaten, den Weißbüschelaffen, erfolgen. Diese sind besonders geeignet, da sie über eine sehr aktive vokale Kommunikation verfügen. Die Forschung an den Tieren erfolge – bei Berücksichtigung aller ethischen Probleme – unter höchster Maßgabe des Tierschutzes und unter Kooperation des Primaten-Zentrums des Leibniz-Instituts. Erst danach, und wie Moser betont hoffentlich noch innerhalb der 2020er Jahre, könne mit klinischen Studien begonnen werden.
Derzeit steht neben der gut aufgestellten wissenschaftlichen Forschung auch die wirtschaftliche und technische Entwicklung eines optischen Cochlea-Implantats ganz oben auf der Agenda. Im Januar 2019 wurde zu diesem Zweck das Unternehmen OptoGenTech gegründet, das derzeit nach Investoren sucht.
Quelle: Hauptstadtkongress 2019, "Hören mit Licht? Auf dem Weg zum optischen Cochlea-Impantat", Prof. Dr. Tobias Moser