Immer mehr Deutsche bestellen Medikamente online

Den Gang zur Apotheke spart sich Mancher gelegentlich und bestellt online. Langsam, aber stetig wachsen die Versand-Apotheken. Doch den Weg zum Online-Boom versperrt der ärztliche Rezeptblock. Ein

Den Gang zur Apotheke spart sich Mancher gelegentlich und bestellt online. Langsam, aber stetig wachsen die Versand-Apotheken. Doch den Weg zum Online-Boom versperrt der ärztliche Rezeptblock.

Ein Nasenspray-Vorrat im Herbst, Heuschnupfen-Tabletten im Frühling und alles, was man lieber unbeobachtet kauft: Ihre Medikamente besorgen sich immer mehr Menschen in Versandapotheken. Vor allem rezeptfreie Präparate, die sie regelmäßig brauchen, kaufen Patienten im Internet. Doch anders als bei Büchern und Elektronik steht auf dem Arzneimittelmarkt der ganz große Durchbruch für das Online-Geschäft noch aus.

“Der Umsatzanteil der Versandapotheken steigt weiter”, sagt GfK-Gesundheitsexperte Walter Pechmann am Donnerstag in Berlin. Er schätzt den Markt für rezeptfreie Medikamente auf jährlich 9,5 Milliarden Euro. Davon hätten sich die Onliner unter den Pharmazeuten im vergangenen Jahr jeden fünften Euro gesichert.

Gemessen am Gesamtumsatz der Apotheken sind das zwar nur gut vier Prozent. Aber 2014 hat laut GfK schon gut jeder zweite Apotheken-Kunde mindestens einmal online eingekauft.

“Besonders die 45- bis 65-Jährigen bestellen”, sagt der Wittenberger Apotheker Christian Buse. Er betreibt mit 250 Beschäftigten neben drei festen Niederlassungen mycare.de, eine der größten Versandapotheken. Bestellt werden etwa Mittel wie Kopfschmerztabletten, weil es da für viele einen planbaren Bedarf gebe. Oder Mittel gegen Blasenschwäche, weil es vielen unangenehm sei, solche Präparate am Ladentresen zu ordern, wo andere zuhören.

Rund 3000 der gut 20 000 Apotheken in Deutschland haben sich eine Versanderlaubnis besorgt. Doch 90 Prozent des Umsatzes machen nach Schätzungen 30 bis 40 große, darunter ausländische Anbieter wie DocMorris.

Apotheker Buse klagt: “Die Bremse ist das Papierrezept.” Wer verschreibungspflichtige Arzneien braucht, muss den roten Schein mit der ärztlichen Verordnung einschicken – eine große Hürde, die aus Sicht der Versandapotheken vor dem 38 Milliarden Euro großen Markt der rezeptpflichtigen Medikamente steht.

Wie andere große Anbieter übernimmt Buse das Porto fürs Rezepteinschicken und liefert auch kleine Bestellungen auf Rezept versandkostenfrei – dennoch kommt das verschreibungspflichtige Segment nicht in Gang.

“Wir brauchen das elektronische Rezept”, sagt der Apotheker, der den Bundesverband Deutscher Versandapotheken führt, bei einer Tagung in Berlin. Darüber wird seit Jahren diskutiert. “Das Thema ist nicht von der Agenda”, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Die Selbstverwaltung von Ärzten und Apothekern habe das Thema aber zunächst hintan gestellt, sagt ein Sprecher. Es gebe noch viele technische Herausforderungen, etwa die nötige elektronische Signatur.

Auch mit E-Rezept wäre nicht sicher, ob Verschreibungspflichtiges im Netz auch so gut läuft wie rezeptfreie Ware. Denn für Medikamente, die der Arzt verordnet, sind die Preise festgelegt – anders als bei Hustenlösern und Schmerzgel. Solche rezeptfreien Präparate bekommen Kunden online bis zu ein Viertel billiger, wie GfK-Forscher Pechmann ermittelt hat. “Wenn ich in die Versandapotheke gehe, würde ich sagen, ist es zu 90 Prozent wegen des Preises und zu 10 Prozent Convenience.”

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände warnt indes vor Risiken der Bequemlichkeit, etwa bei Transport und Lagerung der Präparate. Bemängelt wird auch, dass der persönliche Kontakt zwischen Apotheker und Patient fehle.

Zwar sind manche Online-Pharmazeuten auch noch kostenlos telefonisch erreichbar, wenn die Apotheker um die Ecke längst geschlossen hat. Aber auch der Marktforscher Frank Weißenfeldt hält eine Warnung für angebracht. Er hat nachvollzogen, wie es im Netz zum Kauf kommt.

“Die Patienten folgen einem digitalen Trampelpfad”, sagt der Fachmann vom Beratungsunternehmen IMS Health. “Am Anfang steht ‘Dr. Google’.” Über die Suchmaschine gelangen zwei Drittel zum nutzergeschriebenen Online-Lexikon Wikipedia, dann in soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. Hersteller und Apotheker müssten zunehmend damit rechnen, dass sich die Kunden dabei auch Halbwissen aneigneten.

Text  und Foto: dpa /fw