Patienten mit bösartigen Tumoren im Mund- und Rachenraum leiden trotz erfolgreicher Behandlung oft ein Leben lang unter den schweren Nebenwirkungen. Ärzte am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und am NCT Heidelberg wollen nun in einer klinischen Studie prüfen, ob sich durch eine individualisierte Strahlentherapie die negativen Folgen der Therapie verringern lassen.
Vorrangiges Ziel einer jeden Krebsbehandlung ist es, den Tumor zu besiegen und damit das Leben des Patienten/der Patientin zu retten. Doch häufig beeinflussen langfristige Nebenwirkungen die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig.
Eine laufende Studie des NCT/UCC Dresden und des NCT Heidelberg macht sich nun zur Aufgabe, diese negativen Begleiterscheinungen der Tumortherapie bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren zu verringern. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden und Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns.
Im Rahmen der Studie wird derzeit die erste Patientin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden behandelt. Diese leidet an einem Tumor des Mund-Rachen-Raumes, der durch humane Papillomviren (HPV) hervorgerufen wurde. Die vor allem als Auslöser für Gebärmutterhalskrebs bekannten HP-Viren sind zudem in etwa 50 % der Fälle auch ursächlich an der Entstehung von Kopf-Hals-Tumoren beteiligt. Studien zeigten überdies, dass die Tendenz für HPV-induzuierte Kopf-Hals-Tumoren in der Allgemeinbevölkerung ansteigt.
"HPV-verursachte Kopf-Hals-Tumoren sprechen besonders gut auf die kombinierte Strahlen- und Chemotherapie an. Wir gehen davon aus, dass wir diese Tumoren mit einer verringerten Strahlendosis genauso wirksam behandeln können, wie mit der bislang standardmäßig verabreichten Strahlenmenge. Gleichzeitig hoffen wir so, langfristige gravierende Nebenwirkungen deutlich reduzieren zu können", erklärte Studienleiterin Prof. Dr. med. Mechthild Krause, Geschäftsführende Direktorin am NCT/UCC Dresden und Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Dresden, den möglichen Vorteil der Patientin im Kampf gegen ihre Krebserkrankung.
Die multizentrische Studie, die auf Vorarbeiten innerhalb des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) beruht und an der alle acht DKTK-Zentren, das Nationale Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie und die Arbeitsgemeinschaft für Radiologische Onkologie beteiligt sind, trägt den Namen DELPHI (De-Eskalation der adjuvanten Radio(chemo)therapie für HPV-positive Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinome).
Anders als beim antiken Orakel spielen Weissagungen und Prophezeiungen hier allerdings keine Rolle. Die Mediziner senken die Strahlendosis unter kontrollierten Bedingungen in einem engmaschig überwachten, zweistufigen Verfahren ab, das höchstmögliche Sicherheit für die Patienten garantiert. Vieles deutet nämlich derzeit darauf hin, dass ein Teil der Patienten mit der aktuellen Standardbehandlung übertherapiert wird. Dies soll künftig zum Erhalt einer besseren Lebensqualität vermieden werden.
Im Rahmen der Studie werden zunächst 30 Patienten mit HPV-induzierten Kopf-Hals-Tumoren nach vorausgegangener Operation mit einer Radio-Chemotherapie weiterbehandelt. Die Strahlentherapie erfolgt in einem Zeitraum von fünfeinhalb Wochen in 27 Einzelsitzungen. Hierbei wird die Strahlendosis um 10 % gegenüber der Standardtherapie gesenkt. Nach Abschluss der Therapie schließt sich eine zweijährige Nachbeobachtungsphase an, in der die Patienten regelmäßig untersucht werden. Erst nach Abschluss dieses Beobachtungszeitraums sollen weitere 30 Patienten mit einer dann um 20 % verringerten Strahlendosis behandelt werden. Zahlreiche weitere Patienten, die eine Standardtherapie erhalten, dienen als Vergleichsgruppe.
Der Ansatz, Nebenwirkungen durch eine reduzierte Strahlentherapie zu senken, ist vielversprechend. Denn HPV-bedingte Kopf-Hals-Tumoren lassen sich im Anschluss an eine Operation durch eine Strahlentherapie lokal sehr gut kontrollieren. Parallel wird in einer internationalen Studie überprüft, ob im Rahmen der Reduktion der Therapiemaßnahmen die Chemotherapie weggelassen werden kann. Beide Studien gemeinsam werden letztlich eine wichtige Grundlage für die zukünftige Therapieverbesserung bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren liefern.