Infektionsartige Verbreitung von Tau-Proteinen bei Alzheimer

Im Zuge der Alzheimer-Demenz mit immer weiter fortschreitendem geistigem Verfall scheinen sich die Tau-Proteine in zusammenhängenden neuronalen Netzwerken wie bei einer Infektion zu verbreiten.

Erst Beta-Amyloid, dann Tau

Im Zuge der Alzheimer-Demenz mit immer weiter fortschreitendem geistigem Verfall reichern sich im Gehirn fehlgefaltete Amyloid- und Tau-Proteine an. Dabei scheinen sich die Tau-Proteine in zusammenhängenden neuronalen Netzwerken wie bei einer Infektion zu verbreiten. Das haben WissenschaftlerInnen des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung am LMU Klinikum nun erstmals in einer Längsschnitt-Studie bei Alzheimer PatientInnen nachgewiesen.

Die Krankheit beginnt nach derzeitiger Kenntnis mit der Ablagerung von Beta-Amyloid-Proteinen im Gehirn in Form von Plaques, die sich außerhalb der Nervenzellen anreichern. Bald darauf häufen sich die Tau-Proteine innerhalb der Nervenzellen im Gehirn an, die für das Fortschreiten der Demenz offenbar entscheidend sind. "Je stärker die Tau-Pathologie, desto ausgeprägter ist in der Regel die klinische Symptomatik der Patienten", betont Dr. Nicolai Franzmeier vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung.

In Zell- und Tierversuchen stellte sich jüngst heraus: Die Tau-Proteine breiten sich über miteinander verbundene Nervenzellen aus und werden, ähnlich einer ansteckenden Erkrankung, an den Synapsen an andere Neurone weitergegeben.

Daten aus zwei bildgebenden Verfahren

ForscherInnen der LMU Medizin um Arbeitsgruppenleiter Prof. Michael Ewers und den Erstautor der Studie, Dr. Nicolai Franzmeier, haben nun in einer internationalen Arbeit mit einem ausgefeilten bildgebenden Verfahren, der tau-PET, die Verteilung der Tau-Proteine im Gehirn von Alzheimer-PatientInnen beleuchtet. Die ForscherInnen untersuchten zwei Stichproben mit jeweils etwa 50 Alzheimer-PatientInnen, die über ein bis zwei Jahre mit der Tau-PET-Untersuchung nachverfolgt wurden.

Zu Studienbeginn wurden die Gehirne der PatientInnen außerdem mit einem anderen bildgebenden Verfahren untersucht, der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie. Sie kann erfassen, welche Nervenzellen bzw. Hirnregionen in funktionellen Netzwerken eng verknüpft sind. "Mit diesen Längsschnitt-Daten", erklärt Franzmeier, "haben wir analysiert, ob sich die Ausbreitung der Tau-Proteine im Verlauf anhand der Topologie funktioneller Hirnnetze vorhersagen lässt."

Eine bessere individuelle Risikovorhersage erscheint möglich

"Tatsächlich verbreitet sich die Tau-Pathologie im Verlauf der Erkrankung vornehmlich entlang miteinander vernetzter Hirnregionen", resümiert Franzmeier das wichtigste Ergebnis der Studie. "Diese Vernetzung der Hirnregionen ist zentral für mentale Leistungen. Die Vorhersage der Ausbreitung von Tau in diesen Netzwerken könnte sich damit auch als wichtig für die Vorhersage der zukünftigen Abnahme in der mentalen Leistung erweisen", erläutert Ewers.

Langfristig gesehen planen die ForscherInnen, die Modelle zur individuellen Vorhersage der Verbreitung der Tau-Pathologie zu nutzen. Damit ließe sich der mitunter sehr unterschiedliche Verlauf der Erkrankung für einzelne PatientInnen besser prognostizieren.

Quelle:
Franzmeier, N., Neitzel, J., Rubinski, A. et al. Functional brain architecture is associated with the rate of tau accumulation in Alzheimer’s disease. Nat Commun 11, 347 (2020) doi:10.1038/s41467-019-14159-1