Jung, alt, schwanger oder krebskrank: Zehn brennende Fragen zu Patienten mit CED

Bei der Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) gibt es weiterhin erheblichen Diskussionsbedarf. Auf dem diesjährigen 12. ECCO-Kongress, der vom 15. bis 18. Februar 2017 in Barcelona stattfand, versuchten die Referenten jeweils zwei Fragen für fünf verschiedene Patientengruppen zu beantworten.

Bei der Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) gibt es weiterhin erheblichen Diskussionsbedarf. Auf dem diesjährigen 12. ECCO-Kongress, der vom 15. bis 18. Februar 2017 in Barcelona stattfand, versuchten die Referenten jeweils zwei Fragen für fünf verschiedene Patientengruppen zu beantworten.

1. Kinder mit CED

Sollen anti-TNF-Therapien bei Kindern angewendet werden?

Die ersten drei Monate sollten Kinder mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Infliximab und Thiopurine erhalten, so Dan Turner (The Hebrew University of Jerusalem). Liege der IFX-Spiegel dann unter 5, könne man guten Gewissens die Therapie beenden. Liege er über 5, sollte man bei Jungen mit Colitis ulcerosa Infliximab mit Methotrexat kombinieren. Denn bei einer längeren Gabe von Thiopurinen erhöhe sich das Risiko von Lymphomen – und zwar zu 90 % bei männlichen Patienten. "Wenn man die Kombinationstherapie mit IFX und AZA nach einem halben Jahr beendet, erhält man exakt den gleichen Outcome, als wenn man sie noch bis zu einem ganzen Jahr fortführt", betonte der Referent.

Wer sollte Kinder mit CED operieren?

Laparoskopische Eingriffe sind die erste Wahl. Ob ein Kinder- oder ein Erwachsenen-Chirurg operiert, ist nicht so entscheidend wie die Erfahrung, die der Operateur besitzt. Nach einem Bericht der Porto-Pediatric IBD-Group of ESPGHAN kam es bei 41 % der Operateure, die weniger als 10 solcher Eingriffe im Jahr durchführen, zur Entwicklung einer chronischen Pouchitis, während bei Chirurgen, die mehr als 10 CED-Patienten im Jahr operieren, dies nur bei 15 % vorkam. (1) Als Faustregel gilt: Operationen nur in Zentren, die mehr als 20 CED-Laparoskopien und 9 bis 10 Pouches im Jahr vornehmen. Gerade Pouches-Operationen sind selten, darum sollten junge Kinder am besten von einem Team aus Erwachsenen- und pädiatrischen Chirurgen operiert werden. Leiten sollte die OP der erfahrenste Chirurg.  

2. Schwangere mit CED

Sollte man eine anti-TNF-Therapie während der Schwangerschaft stoppen?

Janneke van der Woude (Erasmus MC Rotterdam) stellte gleich zu Beginn ihres Vortrags klar: Weder anti-TNF-Therapien noch Vedolizumab seien für die Schwangerschaft zugelassen, da beide Arzneimittel die Placenta passieren. Vor dem Beginn einer Schwangerschaft sollte die Krankheit in Remission sein und die Patientin nur risikoarme Medikamente erhalten, um einen Flare zu verhindern. Wenn doch ein Rückfall eintrete, müsse ohne Verzug behandelt werden, doch so weit wie möglich mit Medikamenten, die dem Fetus nicht schaden.

Es fehlten zwar robuste Daten, doch soweit bekannt, sei eine anti-TNF-Therapie weder mit einem erhöhten Risiko für Aborte noch mit Geburtsdefekten verbunden, so van der Woude. Wenn die Therapie zwischen der 22. und 24. Woche ausgesetzt werde, gebe es für Frauen in einer stabilen Remission keine Gefahr für einen Rückfall. Werde die Behandlung weiter fortgeführt, würde das Kind mit einem erhöhten Arzneimittelspiegel geboren, der bis zu einem Jahr anhalten könne. Das Kind sollte dann keine Lebendimpfstoffe erhalten, da diese zu einer Neutropenie führen könnten. 

Sollte Vedolizumab während einer Schwangerschaft gestoppt werden?

Die Auswirkungen von Vedolizumab auf die Fertilität sei noch nicht bekannt, so die Referentin. Man wüsste allerdings, dass im ersten Trimester MAdCAM-1 in der Placenta exprimiert werde. Das Risiko für Spontanaborte sei verhältnismäßig hoch. Unbekannt sei das Risiko für Infektionen beim Neugeborenen. So lange keine besseren Daten vorliegen würden, sollte man Frauen, die erstmals Biologika benötigen und sich ein Kind wünschen, von Vedolizumab abraten.

Wenn die Patientin bereits vor Eintritt der Schwangerschaft Vedolizumab erhalten habe und keine Alternativen in Sicht seien, könne man, so die Gastroenterologin, nach eingehender Beratung die Behandlung fortsetzen. Ist die Patientin in stabiler Remission, sollte die Therapie nach Woche 22 abgebrochen werden.

3. Ältere Patienten mit CED

Dürfen ältere Patienten mit Azathioprinen behandelt werden?

Jean-Frederic Colombel (The Mount Sinai Hospital, New York) stellte eine britische Studie vor, die anhand einer Datenbasis von 1990 bis 2010 herausfinden wollte, ob Thiopurine das Risiko für Koloektomien erhöhen. (2) Dabei verglich man CU- und MC-Patienten über 60 Jahren mit Patienten im Alter zwischen 18 und 59 Jahren.

Das kumulative 1,5- und 10-Jahres-Risiko für eine Kolektomie war bei den älteren mit 5,8 % und den jüngeren CU-Patienten mit 7,3 % ähnlich. Bei den MC-Patienten lag dieses Risiko für eine erste Darmchirurgie bei den Älteren mit knapp 18 % niedriger als bei den Jüngeren, bei denen fast ein Viertel operiert werden musste. Wenn sie über zwölf Monate Thiopurine erhielten, sank das Kolektomie-Risiko bei den älteren CU-Patienten um 70%. Für die MC-Patienten über 60 Jahre, die mit AZA therapiert wurden, konnte diese Reduktion nicht beobachtet werden. 

Diese Ergebnisse sei wichtig, betonte der Referent, da durch die Langzeitgabe von Azathioprin die Krebsgefahr steige: Das Thiopurin-assoziierte Risiko für Lymphome, Hautkrebs und Karzinome des Urogenitaltraktes erhöhe sich bei Patienten über 65 Jahren signifikant.

Sollten ältere CED-Patienten operiert werden?

Die Prognose älterer Patienten, die sich einer Notoperation unterziehen müssen, ist äußerst schlecht. In einer retrospektiven Studie untersuchte man CU-Patienten, die älter als 60 Jahre waren über einen Zeitraum von 26 Jahren.(3) 8 von 30 Notfall-Patienten starben innerhalb von 30 postoperativen Tagen, von 114 Patienten mit einem elektiven Eingriff hingegen verstarb nur einer in diesem Zeitraum. "Bei schweren und fulminante Erkrankungen sollten Internisten und Chirurgen zusammenarbeiten, um den Zeitpunkt der Operation zu optimieren", forderte Colombel.

4. Krebspatienten mit CED

Welche Behandlung soll bei einer Krebsdiagnose gestoppt werden?

"Bei einem neu aufgetretenen Tumor sollten immunsuppressive Therapien beendet werden, solange er nicht unter Kontrolle ist", unterstrich Laurent Beaugerie (Universitaire Paris). Eine Ausnahme bildet nur ein erstes, nicht-aggressives Basalzellkarzinom.

Für metastasierten, unkontrollierten Krebs gelte: Die Lebensqualität habe immer Vorrang! Deshalb könnten neben der Steroid- und Ernährungstherapien auch anti-TNFs angebracht sein. Infliximab werde gut vertragen und induziere keine Karzinom-Progression.

Umgekehrt könnten Krebsmedikamente den Verlauf einer CED-Behandlung beeinflussen. So würden Docetaxel bei Brustkrebs, Sunitinib und Sorafinib beim Nierenzellkarzinom und CTLA-4-Blocker sowie PDL-1-Blocker zu einer deutlichen Verschlechterung einer Colitis ulcerosa führen.

Welche Behandlung ist für CED-Patienten mit einer primären Krebsdiagnose zu empfehlen?

Eine immunsuppressive Therapie erhöhe zwar nicht das Risiko für einen neuen Krebs oder die Rückkehr eines alten, so Beaugerie. Dennoch sollte man sie bei einem Tumor, der ein hohes Rezidivrisiko habe, nur vorsichtig anwenden. "Wir sollten zunehmend sensibel sein für das Konzept der Immunüberwachung", mahnte der Referent. "Metastasen entstehen oft erst nach vielen Jahren aus disseminierten Tumorzellen, die sich der primären Krebsbehandlung entzogen haben".

Basierend auf Transplantationsdaten empfiehlt die ECCO, CED-Patienten erst zwei Jahre nach Abschluss einer Krebstherapie wieder mit Immunsuppressiva zu behandeln. Bei Krebsarten, für die das Rezidivrisiko sehr hoch ist, könne diese Pause auch auf fünf Jahre ausgedehnt werden. Das gelte jedoch nicht für Patienten mit einer ernsten, unkontrollierten CED. Die lebensbedrohlichen Risiken dieser Krankheit haben Vorrang vor dem eventuellen Risiko eines Krebsrezidivs. Am wichtigsten, so Beaugerie abschließend, sei es, Läsionen zu heilen und die Lebensqualität wiederherzustellen. Wenn keine Alternative möglich sei, dann könne dies auch mit Immunsuppressiva geschehen.

5. CED-Patienten mit psychologischen Komorbiditäten

Warum sind Opiate für CED-Patienten ungeeignet?

Psychologische Komorbiditäten bei CED-Patienten sind häufig und sind oft der Grund für schlechte Adhärenz sowie schlechten Outcome. Doch Opiate dagegen zu verschreiben, sei eine schlechte Idee, versicherte Jane Andrews (The University of Adelaide, Australia) und begründete ihre Meinung:

96 % der Opiate würden in Ländern eingesetzt, die nicht mehr als 15 % der Erdbevölkerung ausmachten. Diese Länder sind vor allem USA, Kanada, Australien und Deutschland (5).

Wie sollten psychische Störungen bei CED-Patienten therapiert werden?

Opiate sollten zu Beginn der Behandlung erst gar nicht eingesetzt werden. Nehme der Patient bereits Opiate, sollten sie genauso wie Steroide auf die Hälfte reduziert und später ganz ausgeschlichen werden, so das Fazit der Referentin.

Referenzen:

[1] Orlanski Meyer E, et al. ECCO annual meeting 2017 Poster

[2] Alexakis C, Inflamm Bowel Dis. 2017 Feb 1 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28151735

[3] Ikeuchi et al. Surg today 2014 http://link.springer.com/article/10.1007/s00595-013-0563-z

[4] Lichtenstein G, et al. Am J Gastroenterol. 2012 Sep; 107(9): 1409–1422.  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3438468/

[5] World Drug Report 2014 https://www.unodc.org/documents/wdr2014/World_Drug_Report_2014_web.pdf