Klinikreform stärkt sektorenübergreifende Versorgung

Die neue Klinikreform fördert sektorenübergreifende Versorgungsmodelle, bedarf jedoch weiterer Anpassungen und Reformen in der kommenden Legislaturperiode

Neue Strukturierung von Kliniken

Mit der Umsetzung der jüngst beschlossenen Reform zur Verbesserung der Krankenhausreform werden ab dem nächsten Jahr nach Einschätzung von Professor Tom Bschor, Psychiater an der Charité und Vorsitzender der Kommission für die Krankenhausreform der Bundesregierung, wesentliche Schritte für eine sektorübergreifende Versorgung eingeleitet. 

Ein wichtiges Element sei dabei die Umwandlung von Kliniken der Grundversorgung in Level 1i-Krankenhäuser mit der Option auch ambulante Medizin anzubieten, schwerpunktmäßig in ländlichen Regionen, in denen es in der vertragsärztlichen Versorgung Lücken gibt, sagte Bschor am Donnerstag im Vorfeld des Berliner Forums der AWMF. Gleiches gelte für die sogenannten Sicherstellungs-Krankenhäuser, die ebenfalls für die ambulante Versorgung geöffnet werden und die zu ihrer finanziellen Absicherung gesonderte Zuschläge erhalten werden.

Darüber hinaus könnten künftig alle pädiatrischen Abteilungen von Krankenhäusern ähnlich wie jetzt schon die Universitätskliniken Institutsambulanzen einrichten, die dann die sektorübergreifende Versorgung von Kindern mit chronischen und schwerwiegenden Erkrankungen aus einer Hand anbieten können.

Nach Auffassung von Bschor sollte vor allem auch die Möglichkeit der tagesstationären Behandlung weitaus stärker als bisher genutzt werden. Nach seiner Beobachtung scheuen viele Krankenhäuser davor zurück, weil sie restriktive Prüfungen durch die Medizinischen Dienste fürchten. Dringend notwendig sei dabei auch Umdenken bei Medizinern, die häufig noch die falsche Auffassung verträten, wer krank sei, müsse zwangsläufig auch das Bett hüten. De facto seien aber heute viele Behandlungen tagesklinisch oder Hospitalisierung insbesondere über Nacht möglich.

Als weitere Schritte in der 10. Empfehlung der Kommission sollte die Stärkung des Belegarztsystems als ideale Versorgung von Patienten aus einer Hand, die integrierte regionale Planung der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen und die Einführung eines Primärarztsystems durch Haus- und Kinderärzte in der kommenden Legislaturperiode unternommen werden.

Weiterbildung ambulant und stationär

Die Entwicklung und der Ausbau einer sektorübergreifenden Versorgung sei sowohl für Patienten als auch für Ärzte interessant und von Vorteil: Für Patienten, weil sie die ambulante und stationäre Versorgung durch ein und denselben Arzt des Vertrauens ermögliche und Schnittstellen mit einem möglichen Verlust an Informationen vermeide, für Ärzte, weil sie Weiterbildungsoptionen in beiden Sektoren zu schaffen geeignet sei.

In Bezug auf die Weiterbildung ist ein solches Modell eines Verbundes bereits in Schleswig-Holstein durch das Kieler MVZ Chirurgie zusammen mit Universitätsklinikum Schleswig-Holstein für die Orthopädie und Unfallchirurgie realisiert, wie der ärztliche Leiter des MVZ, Dr. Ralf W. Schmitz, berichtete. Es habe allerdings mehrere Jahre der Vorarbeiten und dessen Zusammenwirkens von Kammer und KV bedurft, dies zu realisieren. Die Integration der Weiterbildung und schließlich auch der Versorgung nütze inzwischen auch den Patienten: durch kürzere Wartezeiten auf Untersuchungs- und Behandlungstermine, definierte Versorgungspfade und Vermeidung von Informationshürden. 

Home-Treatment in der Psychiatrie

Ein weiteres inzwischen mit Erfolg evaluiertes Modell ist das Home-Treatment in der Psychiatrie, wie es ab 2017 von Professor Andreas Bechdolf, Chefarzt der Psychiatrie an den Vivantes-Kliniken Am Urban und Friedrichshain in Berlin eingeführt wurde.  Die Evaluation im Rahmen einer Vergleichsstudie mit je 200 Patienten in Home-Treatment und in konventioneller Versorgung ergab sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten eine insgesamt höhere Zufriedenheit mit dem Home-Treatment. Diese Methode sei medizinisch nicht unterlegen, aber gesundheitsökonomisch vorteilhaft, weil insbesondere pflegerische Ressourcen gespart werden können. Als Folge der Einbeziehung des häuslichen Umfeldes in die individuelle Behandlung hätten die Patienten mehr persönliche Ressourcen mobilisieren können. Das Modell fördere die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen, sei niedrigschwelliger und auch für Alleinstehende geeignet. 

Schwäche der Hybrid-DRGs: Sachkosten nicht gedeckt

Kritisch sehen Praktiker in der Versorgung die vom Gesetzgeber geschaffenen Hybrid-DRGs und deren Umsetzung in die Praxis. Probleme bereiten dabei die Kalkulation der Sachkosten auf Basis von InEK-Daten, so der Chirurg Schmitz. Anders als in der ambulanten Versorgung, wo Sachkosten vollständig auf Basis ihrer Einkaufspreise abgerechnet und von den Kassen bezahlt werden, seien die Sachkosten in den Hybrid-DRGs nicht kostendeckend kalkuliert. Das verhindere, dass komplexere Eingriffe, die durchaus auch ambulant durchgeführt werden können, de facto unterbleiben, weil sie zum wirtschaftlichen Selbstmord führen.

Nach Auffassung des Präsidenten der AWMF, Professor Rolf-Detlef Treede, muss der Reformprozess in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden. Dabei solle eine neue Regierung den in dieser Legislaturperiode etablierten Prozess der Entscheidungsfindung fortsetzen.