Zwei Drittel der Mutationen, die Krebs verursachen, könnten von unvorhersehbaren, zufälligen Fehlern beim Kopieren von DNA verursacht werden, so Wissenschaftler des Johns Hopkins Kimmel Cancer Center in Baltimore. Diese Fehler können unabhängig von Lebensstil und Umweltfaktoren auftreten.
Wer einen gesunden Lebensstil pflegt, kann das Risiko, an Krebs zu erkranken, senken – so die landläufige Meinung. Menschen, die das praktizieren, aber dennoch erkranken, mögen sich fragen, was sie falsch gemacht haben. Bert Vogelstein, Co-Direktor am Johns Hopkins Kimmel Krebszentrum sagt: “Es ist nicht ihre Schuld. Nichts, was sie getan oder nicht getan haben, war für die Erkrankung verantwortlich.“ Auch mit den besten gesundheitlichen Absichten kann dennoch Krebs entstehen, und zwar durch Fehler, die passieren, wenn Zellen sich teilen. Sein Team hat eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, welcher Teil der Krebsmutationen auf Fehler beim Kopieren der DNA zurückzuführen ist. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Science veröffentlicht.
“Es ist bekannt, dass wir Dinge wie etwa Rauchen vermeiden sollten, um unser Krebsrisiko zu senken. Nicht so bekannt ist, dass jedes Mal, wenn sich eine normale Zelle teilt oder ihre DNA kopiert, Fehler passieren.“, sagt Christian Tomasetti, Assistenz-Professor für Biostatik am Johns Hopkins Kimmel Krebszentrum und der Johns Hopkins Bloomberg Schule für Gesundheitswesen. “Diese Kopierfehler sind eine Quelle für Krebsmutationen, die historisch und wissenschaftlich unterschätzt wurde. Diese Arbeit liefert erstmalig eine Schätzung, wie viele Krebsmutationen von solchen Fehlern verursacht werden.“
Untersucht wurden Mutationen, die zu abnormalem Zellwachstum bei 32 Krebsarten führen. Laut den Forschern braucht es in der Regel zwei oder mehr kritische Genmutationen, um Krebs zu verursachen. Diese Mutationen können auf vererbte Gene, die Umwelt oder zufällige DNA-Kopierfehler zurückgeführt werden. Das Team entwickelte ein neues mathematisches Modell, indem sie DNA-Sequenzierungsdaten aus dem Krebs-Genom-Atlas und epidemiologische Daten aus der Krebsforschungsdatenbank nutzten, um den Anteil dieser DNA-Kopierfehlern in allen 32 Krebsarten zu errechnen.
Bei Bauchspeicheldrüsenkrebs beispielsweise waren 77 Prozent der Mutationen durch zufällige DNA-Kopierfehler, 18 Prozent durch Umweltfaktorn und 5 Prozent durch Vererbung begründet. Bei Krebs in Knochen, im Gehirn oder der Prostata waren mehr als 95 Prozent der Mutationen Ergebnis zufälliger DNA-Kopierfehler. Im Gegensatz dazu resultierten bei Lungenkrebs 65 Prozent der Mutationen aus Umweltfaktoren (vor allem Rauchen). Die übrigen 35 Prozent der Mutationen wurden von Kopierfehlern verursacht. Man geht nicht davon aus, dass vererbte Faktoren bei der Entstehung von Lungenkrebs eine Rolle spielen. Die Forscher schätzen, dass insgesamt 66 Prozent der Krebsmutationen auf zufällige DNA-Kopierfehler zurückzuführen sind, 29 Prozent resultieren aus Lebensstil und Umweltfaktoren und die restlichen 5 Prozent sind auf erbliche Faktoren zurückzuführen.
Weiterhin ist ein Zusammenhang zwischen der Stammzellteilung und dem insgesamten Vorkommen von 17 Krebsarten zu beobachten – ganz gleich in welchem Land und unter welchen Umwelt- oder wirtschaftlichen Faktoren. Je häufiger Zellen sich teilen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Fehler beim Kopieren der DNA auftreten. Diese Fehler werden mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung immer wichtiger, da Zellen so die Gelegenheit hätten, die Menge an Kopierfehlern zu erhöhen, schlussfolgert Tomasetti.