Wissenschaftler werfen mit Hilfe von mathematischen Modellen erstes Licht auf die früheste Phase der Tumorentstehung. Was treibt die Tumorbildung an? Welche Mindestzellzahl muss für das Angehen eines neuen Tumors im Gewebe vorhanden sein? Das Modell gibt erste spannende Einblicke in eine dem Auge sonst verborgene Welt.
Bei der Krebsentstehung stehen entartete Zellen mit gesunden Zellen im Wettbewerb. Für die dauerhafte Etablierung eines Tumors in einem Gewebe ist es jedoch notwendig, dass sich die entarteten Zellen durchsetzen. Dieser Wettbewerb zwischen den Zellen ist in der Anfangsphase klinisch nicht oder nur schwer zu beobachten. Hier kann ein mathematisches Modell helfen, von beobachtbaren Daten auf darunterliegende Mechanismen Rückschlüsse zu ziehen.
Um Einblicke in die frühe Phase der Tumorentstehung zu gewinnen, entwickelten die Wissenschaftler der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW Dresden) und der TU Dresden ein mathematisches Modell, welches die für die Initiierung eines Tumors auf Gewebeebene verantwortliche Mindestanzahl an entarteten Zellen schätzen kann. Das Forschungsteam nutzte zur Kalibrierung seines Modells epidemiologische Daten zu den Anteilen von gut- und bösartigen Tumoren in unterschiedlichen menschlichen Geweben.
Dabei stellte sich heraus, dass die geschätzte Mindestanzahl der für eine Tumoretablierung verantwortlichen entarteten Zellen in allen Geweben überraschend klein aber gewebeabhängig ist. Dieses Resultat legt die Existenz einer kleinen gewebeabhängigen Zellnische nahe, in der das Schicksal der Tumorentstehung bereits sehr früh und lange vor einer möglichen Detektion bestimmt wird.
Unterstützt wird das Ergebnis durch die korrekte Vorhersage der Nischengröße im menschlichen Darm, für den eine derartige Nische bereits identifiziert wurde. Für weitere Gewebe könnten es die Schätzungen der Wissenschaftler ermöglichen, den Zelltyp mit der ersten Veränderung zu identifizieren und somit zu wichtigen Einblicken in die frühe Tumorentstehung zu gelangen.