Krebsforschung: Mechanismus entschlüsselt, der die Zellteilung reguliert

Wenn sich eine Zelle teilt, werden ausgewählte Zielproteine durch Enzyme mit Signalmolekülen markiert und daraufhin abgebaut. Die beteiligten Enzyme können sich jedoch auch selbst für den Abbau markieren. Wie Enzyme sich vor derartiger Selbstzerstörung schützen und bei Bedarf schnell wieder zur Verfügung stehen können, hat ein Forschungsteam aus Würzburg und Dresden aufgeklärt.

Auf die Balance kommt es an

Wenn sich eine Zelle teilt, werden ausgewählte Zielproteine durch Enzyme mit Signalmolekülen markiert und daraufhin abgebaut. Die beteiligten Enzyme können sich jedoch auch selbst für den Abbau markieren. Ein Forschungsteam hat nun modellhaft aufgeklärt, wie Enzyme sich vor derartiger Selbstzerstörung schützen und bei Bedarf schnell wieder zur Verfügung stehen können.

Wachstum, Entwicklung und Regeneration von Gewebe basiert auf der präzise regulierten Teilung von Zellen. Gerät diese aus den Fugen, entsteht Krebs. Ein Forschungsteam um Dr. Sonja Lorenz von der Universität Würzburg und Dr. Jörg Mansfeld von der Technischen Universität Dresden hat einen molekularen Mechanismus entdeckt, der für die Regulation der Zellteilung bedeutend ist.

Ubiquitinierung als zentrales Steuerelement

Ein kritischer Schritt in der Zellteilung ist die gleichmäßige Verteilung der Erbinformation auf die entstehenden Tochterzellen. Dieser Prozess wird durch einen riesigen Proteinkomplex, den Anaphase-Promoting-Complex/Cyclosom (APC/C), gesteuert, der Zielproteine mit dem Signalprotein Ubiquitin markiert. Die Ubiquitinsignale ähneln einer molekularen Postleitzahl, die markierte Proteine der zellulären Proteinabbaumaschinerie zuführt. Damit dies gelingt, arbeitet der APC/C mit dem Ubiquitin-konjugierenden Enzym UBE2S zusammen. Dieses stellt sicher, dass Ubiquitinsignale auf Zielproteinen akkurat und effizient angebracht werden. Allerdings kann sich UBE2S auch selbst mit Ubiquitin markieren und somit seinen eigenen Abbau einleiten. Dieser Umstand trifft ebenso auf Ubiquitinierungsenzyme im Allgemeinen zu. "Dies wirft die fundamentale Frage auf, wie diese Enzyme die richtige Balance zwischen Selbstmarkierung und Zielproteinmarkierung erreichen und gewährleisten, dass hinreichende Enzymmengen in der Zelle vorhanden sind, wenn sie benötigt werden", sagt Sonja Lorenz.

Wechsel zwischen aktiven und inaktiven Zuständen

Die neue Studie beantwortet diese Frage modellhaft für UBE2S und zeigt, dass das Enzym einen inaktiven Zustand einnehmen kann, der eine Selbstmarkierung mit Ubiquitin verhindert. "Wir konnten zeigen, dass UBE2S durch Dimerbildung, also zwei aneinander gebundene Moleküle, in einen inaktiven Zustand übergeht und damit der Zelle für spätere Reaktionen zur Verfügung steht", erklärt Jörg Mansfeld. Die Zelle steuert also das Verhältnis von aktivem zu inaktivem UBE2S, damit die Zellteilung präzise funktionieren kann. Diese neuen Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die Entwicklung neuer krebstherapeutischer Strategien und liefern konkrete Ansätze für die Wirkstoffentwicklung.

Ubiquitinforschung auf vielen Ebenen

Die aktuelle Studie ist bereits die zweite erfolgreich publizierte Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen Lorenz und Mansfeld zur Regulation von UBE2S. Die Arbeitsgruppe von Sonja Lorenz erforscht die strukturellen Grundlagen des Ubiquitin-Systems, das nahezu alle zellulären Vorgänge kontrolliert. Die Forschungsgruppe von Jörg Mansfeld beschäftigt sich mit Ubiquitinierung und anderen Modifikationen von Proteinen. Das Team verwendet zellbiologische und biochemische Methoden, um die Rolle dieser Modifikationen bei der Entscheidung der Zelle, ob sie sich weiter teilt, oder für eine bestimmte Funktion spezialisiert, zu untersuchen.

Quelle:
Anna KL Liess, Alena Kucerova, Kristian Schweimer, Dörte Schlesinger, Olexandr Dybkov, Henning Urlaub, Jörg Mansfeld, and Sonja Lorenz: Dimerization regulates the human APC/C-associated ubiquitin-conjugating enzyme UBE2S. Science Signaling (Oktober 2020) doi: https://doi.org/10.1126/scisignal.aba8208