Claudia, Lena, Sebastian und Gerrit teilen eine gemeinsame Erfahrung: Krebs mit Mitte 20. Neben dem Schock, der diese Diagnose zunächst auslöst und der Angst, die sie mit sich bringt, mussten sie sich auch mit der Frage nach einem eventuell später auftretenden Kinderwunsch auseinandersetzen. Die Beantwortung dieser Frage war nicht nur von der Qualität der Beratung abhängig, die sie erhielten, sondern ganz entschieden auch von finanziellen Aspekten geprägt. Seit einiger Zeit engagieren sich alle Vier für die 2014 gegründete Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs (DSfjEmK), die gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO) nun einen großen Erfolg zu verbuchen hat: Mit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) fallen die Kosten für fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen für junge KrebspatientInnen zukünftig in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen.
Jedes Jahr erkranken in Deutschland ungefähr 15.000 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 39 Jahren an Krebs. Bei den Kindern sind es rund 2.000. Die Therapieerfolgsquote ist gut. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen können geheilt werden. Jedoch gehen die notwendigen Therapiemaßnahmen häufig mit einem teilweisen oder vollständigen Verlust der Fruchtbarkeit einher.
Methoden zur Erhaltung der Fruchtbarkeit wie zum Beispiel die Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen sowie von Keimzellgewebe sind mittlerweile gut erprobt und etabliert. Die Kosten für die teilweise aufwändigen Maßnahmen und die anschließende Einlagerung mussten dabei bisher von den PatientInnen selbst getragen werden. Dies schlägt bei Frauen mit bis zu 4.300 Euro zu Buche, bei Männern mit 500 Euro. Die Folgekosten für die Aufbewahrung betragen für Männer und Frauen ungefähr 300 Euro pro Jahr.
Bisher bedeutete dies, dass junge PatientInnen die Möglichkeit von fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen teilweise nicht in Anspruch nehmen konnten, weil entweder die finanziellen Mittel fehlten oder aus zeitlichen Gründen und durch die sowieso schon enorme Belastung einer Krebsdiagnose nach Finanzierungsmöglichkeiten nicht gesucht werden konnte. Dieser Situation wird nun Abhilfe geschaffen.
Mit jahrelangem Engagement haben DGHO, DSfjEmK und Betroffene für das Thema Fruchtbarkeitserhaltung eine Öffentlichkeit geschaffen. In zahlreichen Gesprächen mit den Bundestagsfraktionen, der Presse und den Medien wiesen sie auf die zusätzliche Stigmatisierung und Benachteiligung hin, die eine nicht gewollte Kinderlosigkeit neben der Belastung einer Krebserkrankung und ihrer Therapie bedeutet. "Es ist gut, dass dieses Gesetz von den meisten Fraktionen im Bundestag unterstützt wurde", sagt Sebastian. "Sogar der Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, hatte mehr als nur ein offenes Ohr für unser existenzielles Anliegen", erklärt Claudia, die nach ihrer Darmkrebserkrankung keine Kinder mehr bekommen kann, sich aber dennoch in der Stiftung für dieses wichtige Thema einsetzt und für ihr besonderes Engagement sogar ausgezeichnet wurde.
Was ändert sich nun also? Es geht um die Novellierung des §27a SGB V im Rahmen des TSVG.
In der Neufassung gilt, dass Eizellen, Spermien oder Keimgewebe auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen entnommen und eingefroren und gelagert werden dürfen, wenn
Weitere Voraussetzungen für die Kostenübernahme für Entnahme und Lagerung bestehen nicht. Das heißt, es gelten weder Personenstandsvorgaben noch Altersuntergrenzen. Auch Kinder profitieren also von der Neuregelung. Zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung werden diese Faktoren (Alter, Personenstand) jedoch wieder relevant.
Die Neuregelung tritt bereits am morgigen Freitag in Kraft. Bis zur praktischen Anwendung kann allerdings noch etwas Zeit vergehen, denn hierfür ist eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses notwendig. Hier drängen DGHO und Stiftung auf eine schnelle, unbürokratische und großzügige Vorgehensweise. Auch die gesetzlichen Krankenkassen sind dringend zur Kooperation aufgerufen, damit nicht trotz bereits erfolgter Regelung PatientInnen die Kostenübernahme versagt wird, weil die Richtlinie noch fehlt. Hier erfolgt der dringende Appell an die gesetzlichen Krankenkassen, sich auf Antrag hin zu positiven Einzelfallentscheidungen bereitzufinden.
Quelle: Pressekonferenz der DGHO: „Kryokonservierung von Keimzellen als Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen: Ein Schlüsselpunkt der ganzheitlichen Versorgung junger Krebspatienten ist erreicht“. Berlin, 09.05.2019