Länger "jung" im Alter dank veränderter Lebensumstände

Die Ergebnisse einer finnischen Studie zeigen, dass ältere Menschen heutzutage im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen vor drei Jahrzehnten allgemein bessere Funktionsfähigkeiten aufweisen. Die Studienresultate spiegeln dabei deutlich die Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände wider.

Deutliche Unterschiede binnen 30 Jahren

Die Ergebnisse einer finnischen Studie1 zeigen, dass ältere Menschen heutzutage im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen vor drei Jahrzehnten allgemein bessere Funktionsfähigkeiten aufweisen. Die Studienresultate spiegeln dabei deutlich die Verbesserung der allgemeinen Lebensumstände wider. Für die aktuelle Untersuchung wurden die körperlichen und kognitiven Leistungen von Menschen im Alter zwischen 75 und 80 Jahren in der heutigen Zeit mit denen von Menschen im gleichen Alter in den 1990er Jahren nebeneinandergestellt.

Die "ältere" Studienkohorte setzt sich dabei aus 500 zwischen 1910 und 1914 geborenen Testpersonen zusammen, deren Gesundheitsdaten zwischen 1989 und 1990 gesammelt wurden (Teilnehmerrate 77%). Bei der "jüngeren" Testgruppe wurde der Fokus hingegen auf 726 Personen gerichtet, die 1938, 1939, 1942 oder 1943 geboren wurden, Gesundheitsdaten wurden in diesem Fall zwischen 2017 und 2018 gesammelt (Teilnehmerrate 40%).

Anhand unterschiedlicher alltäglicher Aktivitäten wurden die Funktionsfähigkeiten der beiden Testgruppen miteinander verglichen. Hierzu äußert sich die leitende Studienautorin, Prof. Taina Rantanen, gegenüber dem Online-Portal "EurekAlert!": "Leistungsbasierte Messungen weisen auf, wie ältere Menschen in ihrem täglichen Leben zurechtkommen, und gleichzeitig spiegeln die Messungen das funktionelle Alter wider."2 Zum Hintergrund der Untersuchungen fügt sie hinzu: "Diese Forschung ist einzigartig, weil es weltweit nur wenige Studien gibt, die leistungsbasierte Maximalmaße zwischen Menschen gleichen Alters in verschiedenen Zeitabschnitten miteinander verglichen haben."

Gehgeschwindigkeit und Griffstärke deutlich besser

Für die Studie wurden die beiden Testgruppen hinsichtlich der Kriterien maximale Gehgeschwindigkeit, Muskelkraft, Reaktions- und Denkvermögen, Sprachvermögen, logisches Denken sowie im Hinblick auf Vitalkapazität und Lungenkapazität (FEV1) miteinander verglichen. Abseits der Lungenfunktionstests konnten die Forschenden in sämtlichen Aspekten deutlich verbesserte Werte erkennen: Die Gehgeschwindigkeit war in der "jüngeren" Kohorte durchschnittlich um 0,2-0,4 m/s höher als in der "älteren" Testgruppe. Bei der Griffstärke betrugen die Verbesserungen 5-25% und bei der Knieextensionsstärke 20-47%. Hinsichtlich der Vitalkapazität konnte das Forschungsteam eine Verbesserung um 14-21% erkennen. Lediglich im Hinblick auf FEV1 betrugen die Verbesserungen nur 0-14%.1 Doktorandin Kaisa Koivunen erläutert: „Mehr körperliche Betätigung und die gestiegene durchschnittliche Körpergröße erklären die erhöhte Gehgeschwindigkeit und verbesserte Muskelkraft in der später geborenen Kohorte. Der wichtigste zugrunde liegende Faktor für die Kohortenunterschiede bezüglich kognitiver Leistungen war eine längere schulische Ausbildung.“2

Ist unser Verständnis vom Alter "altbacken"?

Postdoc-Forscher Matti Munukka betont die entscheidende Rolle veränderter Umwelteinflüsse und Lebensumstände: "Die Kohorte der 75- und 80-Jährigen, die später geboren wurden, wuchs unter gänzlich anderen Umständen auf und lebte in einer anderen Welt als ihre drei Jahrzehnte früher geborenen Altersgenossen. Es hat viele Veränderungen gegeben: bessere Ernährung und Hygiene, Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung und im Schulsystem, ein besserer Zugang zu Bildung und ein besseres Arbeitsleben sind allesamt entscheidende Faktoren."

Prof. Rantanen resümiert anhand der Studienresultate: "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass unser Verständnis vom Alter "altbacken" ist. Aus Altersforscher-Sicht werden mehr Jahre zur Lebensmitte hinzugefügt als zum Lebensende. Die höhere Lebenserwartung beschert uns mehr Jahre ohne körperliche oder geistige Einschränkungen, aber durch das steigende Alter verschieben sich die letzten Lebensjahre weiter nach hinter, was den erhöhten Pflegebedarf erklärt. In der alternden Bevölkerung vollziehen sich somit zwei Veränderungen zur gleichen Zeit: die Verlängerung gesunder Lebensjahre bis ins hohe Alter und eine ansteigende Zahl sehr alter Menschen, die externe Pflege benötigen."

Referenzen:
1.)  Kaisa Koivunen, MSc, Elina Sillanpää, PhD, Matti Munukka, PhD, Erja Portegijs, PhD, Taina Rantanen, PhD, Cohort differences in maximal physical performance: a comparison of 75- and 80-year-old men and women born 28 years apart, The Journals of Gerontology: Series A, , glaa224, https://doi.org/10.1093/gerona/glaa224
2.) https://www.eurekalert.org/pub_releases/2020-09/uoj--oph092120.php