Zum Beispiel wurde in einer Studie zu den Wirkstoffen Pertuzumab, Traztuzumab und Docetaxel als Erstlinientherapie bei Patientinnen mit Her2-positivem metastasiertem Mammakarzinom ein mittleres Gesamtüberleben von über 56 Monaten erreicht. Darüber hinaus wurde beim östrogenrezeptorpositiven metastasierten Mammakarzinom ein mittleres progressfreies Überleben von über 24 Monaten unter Letrozol- und Palbociclib-Therapie als Erstlinienbehandlung erzielt. Derzeit werden verschiedene neuartige Verbindungen untersucht, einige davon sogar in Phase-3-Studien – beispielsweise Entinostat (ein Histondeacetylaseinhibitor) und Atezolizumab (ein PD-L1-Inhibitor).
Wo stehen vor dem Hintergrund dieser neuen Entwicklungen die älteren Therapeutika für das Krankheitsbild – wie zum Beispiel Bevacizumab? Ursprünglich wurde die zusätzliche Gabe von Bevacizumab zu zytotoxischen Chemotherapeutika beim metastasierten Mammakarzinom vor über zehn Jahren eingesetzt, die initiale Begeisterung über Verbesserungen des progressfreien Überlebens unter Bevacizumabtherapie wurden aber durch einen fehlenden Vorteil für das Gesamtüberleben gebremst. Jedoch konnte das mittlere Gesamtüberleben in der aktuellen IMELDA-Studie von 23,7 Monate (18,5–31,7) auf 39 Monate (das 95%ige Konfidenzintervall von 32,3 wurde nicht erreicht) gesteigert werden, wobei nach einem initialen Ansprechen auf Docetaxel und Bevacizumab Bevacizumab mit Capecitabine für eine verlängerte Konsolidierungsphase kombiniert wurde, im Vergleich mit Capecitabine allein.
Und so bleibt eine substantielle Unsicherheit über den besten Einsatz von Bevacizumab beim metastasierten Mammakarzinom. Europäische Autoritäten haben seinem Einsatz als Erstlinientherapeutikum bei metastasiertem Mammakarzinom zugestimmt, nicht aber die US-amerikanische Food and Drug Administration. Die TURANDOT-Studie von Christoph Zielinski und seinen Kollegen, die im Magazin The Lancet Oncology vorgestellt wurde, bietet die Möglichkeit, einen Teil dieser Unsicherheit auszuräumen. Ziel der TURANDOT-Studie war es, die Auswahl an weniger toxischen systemischen Chemotherapeutika als Partnersubstanz für Bevacizumab zu erweitern, indem Bevacizumab plus Capecitabine gegen Bevacizumab plus Paclitaxel als Erstlinientherapie bei Her2-negativem metastasierten Mammakarzinom getestet wurden. Das primäre Ziel war die Nicht-Unterlegenheit des Gesamtüberlebens für die Bevacizumab-plus-Capecitabine-Gruppe. Eine vorausgegange Interimsanalyse hatte mit einem progressfreien Überleben von 11,0 Monaten (95% Konfidenzintervall 10,4–12,9) versus 8,1 Monate (7,1–9,2) die Überlegenheit von Bevacizumab plus Paclitaxel gegenüber Bevacizumab plus Capecitabine gezeigt, mit einem Risikoquotienten (hazard ratio / HR) von 1,36 (95% Konfidenzintervall 1,09–1,68, p=0,0052).
564 Patienten wurden in die finale, überarbeitete Intention-to-treat-Analyse zum Gesamtüberleben eingeschlossen, mit 531 nach Protokoll behandelten Patienten. Mit einer mittleren Follow-up-Zeit von 54,3 Monaten (Quartilabstand IQR 50,2–61,7) lag das mittlere Gesamtüberleben unter Bevacizumab plus Paclitaxe bei 30,2 Monaten (95% Konfidenzintervall 25,6–32,6). In der Bevacizumab-plus-Capecitabine-Gruppe betrug die mittlere Follow-up-Zeit 55,7 Monate (IQR 50,5–64,4) mit einem mittleren Gesamtüberleben von 26,1 Monaten (22,3–29,0). Der stratifizierte Risikoquotient lag zwischen den Gruppen bei 1,02 (97,5% repeated CI [RCI] –∞ bis 1,26; p=0,0070), was auf die Nicht-Unterlegenheit von Bevacizumab plus Capecitabine Bevacizumab plus Paclitaxel gegenüber schließen ließ. Mehrere zusätzliche Analysen zur Sensitivität, in denen ein unstratifizierter Risikoquotient benutzt wurde, unterstützten diese Annahme jedoch nicht. Interessanterweise zeigten sich Bevacizumab plus Capecitabine in einem exploratorischen Cox-Modell für prognostische Überlebensfaktoren bei den meisten postmenopausalen Frauen und bei Patientinnen mit einer Körperoberflache unter 1,8 m² als überlegen. Diese exploratorischen Beobachtungen verblüffen und sollten Gegenstand weiterer Forschungsbemühungen sein.
Ein bemerkenswerter Aspekt der TURANDOT-Studie war die Therapie bei Auftreten eines Progresses nach Studienende. Es scheint, dass 40% der Teilnehmer in jeder Gruppe bei einem Progress die jeweils alternative systemische Therapie ohne Bevacizumab erhielten (Paclitaxel in der Capecitabine-Gruppe und vice versa). Dies könnte ein möglicher Grund für die offensichtliche Nicht-Unterlegenheit bezüglich des Gesamtüberlebens im Rahmen dieser Studie sein, während das progressfreie Überleben unter Bevacizumab plus Paclitaxel besser war. Präklinische Daten legen nahe, dass eine Unterbrechung der Bevacizumab-Therapie in einer schnellen Erholung der Neoangiogenese resultiert. Darüber hinaus scheint Bevacizumab die Tumorvaskularisation zu normalisieren und den onkotischen Druck im Tumor zu reduzieren, was eine bessere Wirksamkeit der Chemotherapie erlaubt.
Bevacizumab spielt immer noch eine substantielle Rolle im Management des metastasierten Mammakarzinoms. Der Wirkstoff ist eine vernünftige Option als Erstlinientherapie in Kombination mit Paclitaxel, und wie die TURANDOT-Ergebnisse nahelegen, ist die kombinierte Gabe von Bevacizumab mit Capecitabine als Erstlinientherapie eine ebenso sinnvolle Option. Ergebnisse aus der IMELDA-Studie führten zu der faszinierenden Hypothese, dass Bevacizumab einen entscheidenden Vorteil bietet, wenn es als erweiterte Konsolidierungstherapie bei metastasiertem Mammakarzinom gegeben wird. Die Herausforderung wird in den kommenden Jahren darin bestehen, herauszuarbeiten, wie Bevacizimab am besten in eine durchdachte Behandlungsstrategie für das Krankheitsbild integriert werden kann, während immer neue Medikamente mit interessanten Wirkmechanismen zur Therapie des metastasierten Mammakarzinoms vorgestellt werden.