Neulich hat mich ein Journalist interviewt. Das Interview war ok, wir sprachen viel über für Frauen, unpassende Strukturen und Herausforderungen in der Medizin. Als ich dann die Überschrift des Interviews las, stockte mir allerdings leicht der Atem. Der Titel war: "Chefärztin Mandy Mangler sieht in der Frauenheilkunde ein 'massives Männerproblem'." Diese Überschrift spiegelte überhaupt nicht meine Einstellung wider. Männer sind nicht das Problem - patriarchale Strukturen sind das Problem.
Wenn wir über Chancengleichheit sprechen, kommen wir oft zu dem Punkt, dass "die Männer" angesprochen werden als Ursache für die bestehenden Strukturen und die fehlende Gerechtigkeit. Oft ruft das Abwehr hervor, und es geht dann nicht mehr um die Inhalte, sondern um ein Gegeneinander und um Macht. Die patriarchalen Strukturen wurden zugegebenermaßen sehr oft von Männern geschaffen. Sie sind vor langer Zeit entstanden und oft nicht mehr zeitgemäß – egal für welche Personen.
Richtig klar wurde mir das, als einer meiner Kollegen, ein Orthopäde, nach der Geburt seines ersten Kindes Elternzeit nehmen wollte. Sein Chef und sein leitender Oberarzt haben ihm signalisiert, dass damit seine Karriere zu Ende sei. Sie haben ihn vor die Wahl gestellt: du kannst hierbleiben, wir fördern dich. Wenn du jedoch Elternzeit nimmst, brauchst du nicht wiederzukommen. Ihn hat das schwer getroffen. Erfreulicherweise hat er sich davon nicht beirren lassen. Als er nach der Elternzeit zurückkam, erhielt er tatsächlich keine Förderung und ging nach einiger Zeit in eine andere Klinik. Was er verloren hat? Vielleicht eine universitäre Karriere. Was er gewonnen hat? Würde, Selbstbestimmung, familiäres Miteinander. So wie ihm ging und geht es vielen Vätern in der Medizin. Sie wurden mehr oder weniger unter Druck gesetzt. Sie bekamen zu hören: hat das Kind denn keine Mutter? Oder: Ach so, Sie wollen auch mal zwei Monate Urlaub machen? Und: Denken Sie doch mal an die Klinik!
Es sind übrigens nicht nur Männer, die diese Strukturen reproduzieren und tradieren, sondern auch Frauen: Ein befreundeter Arzt wurde aus Wut gar mit einem Getränk beworfen, als er mit seiner Vorgesetzten über Elternzeit sprach. Das bedeutet also, diese alten, verstaubten Strukturen sind auch für Männer unpassend. Doch viele Männer ertragen die Nachteile dieser Strukturen noch, weil sie zweifelsohne dadurch sehr privilegiert sind.
Nach einer Umfrage des Deutschen Ärztinnenbundes im Sommer 2022, gibt es nur 13 % Frauen in Führungsposition in den medizinischen Universitäten des Landes. Oder umgekehrt, es gibt 87 % Männer in Führungspositionen, die die Strukturen bestimmen, die entscheiden, was geforscht wird und die Themen bestimmen, die behandelt werden, die damit klinisch den Ton angeben. Männer finden unter den 87% immer Gleichgesinnte, Förderer, Strukturen, die von ihnen und für sie geschaffen sind. Es gibt Studien, die zeigen, dass Männer weniger kritisiert werden als Frauen, wenn sie Fehler machen. Machtstreben wird bei Männern positiv bewertet, bei Frauen negativ. Die Liste der Privilegien ließe sich noch endlos fortführen.
Was Männer oft nicht verstehen: für sie gibt es längst eine Quote. Und ja, wenn Frauen in Führungspositionen mit mehr Entscheidungsmacht strömen, ist das für Männer eine existentielle Bedrohung, besonders für jene, die ihre Position weniger über Leistung als über Netzwerke oder durch fehlendes Machtstreben der Frauen bekommen haben. Was Männer allerdings selten verstehen, ist, dass das alles für uns Frauen ebenso existenziell bedrohlich ist, und dass wir uns in diesen von ihnen gestalteten Machtstrukturen nicht wieder finden.
Oft suche ich Männer, die sich gemeinsam mit uns Frauen der Herausforderung stellen, die unpassenden patriarchalen Strukturen zu ändern. Sie sind rar. Männer haben vielleicht, obwohl sie Töchter, Schwestern und Frauen haben, nicht den gleichen Leidensdruck wie wir Frauen. Aber starke Männer stellen sich dem Thema und sind an unserer Seite, wenn es darum geht, als Gesellschaft gut aufgestellt in die Zukunft zu gehen.