Homöopathie mangelt es an wissenschaftlicher Evidenz. Kritiker aus dem Münsteraner Kreis wie der Biologe und Wissenschaftsjournalist Dr. Christian Weymayr bezeichnen sie als "Glaubenslehre". Trotzdem übernehmen zahlreiche gesetzliche Krankenkassen zumindest teilweise die Kosten für eine homöopathische Behandlung. Warum?
Im Rahmen einer Befragung des Gesundheitsmonitors im Jahr 2012 gaben 17 Prozent der Teilnehmer an, homöopathische Medizin genutzt zu haben. Millionen von Patienten weisen homöopathischen Behandlungen und Arzneimitteln eine Wirkung zu. Der Gesetzgeber hat mit § 2 des Sozialgesetzbuchs V die Tür für alternative Behandlungsmethoden als freiwillige Leistung ausdrücklich geöffnet. Zur Regelversorgung gehört Homöopathie nicht.
Mehr als 60 Krankenkassen haben Selektivverträge nach § 140a SGB V mit der Managementgesellschaft des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) abgeschlossen, sodass in der Regel eine Erstberatung und die folgende homöopathische Behandlung abgerechnet werden können. Bei Arzneimitteln gibt es meist eine Deckelung.
Die DAK-Gesundheit teilt auf Anfrage mit, dass sie "sich im Rahmen des Gesundheitskontos mit einem Zuschuss an den Kosten für nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel der Homöopathie" beteiligt. Der Zuschuss sei auf 100 Euro pro Kalenderjahr begrenzt. Die Krankenkasse räumt zwar ein, dass die Wirkung der Homöopathie nicht "zweifelsfrei wissenschaftlich" erwiesen sei. "Dennoch vertrauen immer mehr Versicherte auf die homöopathische Behandlung. Dies gilt insbesondere, wenn vertragsärztliche Methoden bereits ausgeschöpft wurden. Hilfesuchende Patienten möchte die DAK-Gesundheit daher auch in diesem Bereich unterstützen", so die Krankenkasse. Behandeln lassen können sich Patienten bei einem zugelassenen Vertragsarzt mit entsprechender Zusatzqualifikation. Leistungen von Heilpraktikern würden nicht erstattet. Das gilt für alle anderen Krankenkassen ebenfalls.
Die Barmer erklärt, dass sie sich an "der Debatte um die wissenschaftliche Evidenz homöopathischer Leistungen und Arzneimittel nicht beteiligen" werde. Die Krankenkasse übernimmt homöopathische Leistungen wie homöopathische Erst- und Folgeanamnesen, Analysen und Beratungen. Voraussetzung sei, dass die Leistung von einem Schulmediziner mit homöopathischer Zusatzausbildung erbracht werde.
"Auf diese Weise stellen wir im Rahmen unseres Homöopathie-Vertrages ein Höchstmaß an Qualität sicher. Da der behandelnde Arzt einen möglichst umfassenden Überblick über den aktuellen medizinischen Kenntnisstand haben muss, wird die Behandlung bei einem Homöopathen ohne klassische medizinische Ausbildung von der Barmer nicht übernommen", teilt ein Pressesprecher mit. "Die Kosten für Homöopathika wie zum Beispiel Globuli zahlt die Barmer bis auf die gesetzlich geregelten Ausnahmefälle bei Kindern und Jugendlichen ebenfalls nicht." Eine pauschale Begrenzung bei den Behandlungskosten gebe es nicht.
Die Kasse verweist darauf, dass sie Versicherten nicht hineinreden wolle, ob diese sich für Homöopathie oder eine andere Behandlungsmethode entscheiden. Ein Arzt könne Leistungen dann abrechnen, wenn dieser über eine homöopathische Zusatzausbildung und ein Diplom des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte oder Vergleichbares verfügt, erklärt die Barmer.
Die Techniker Krankenkasse (TK) hebt hervor, "dass Versicherte sich sogenannte komplementärmedizinische Angebote in Ergänzung zur Schulmedizin wünschen" und der Gesetzgeber über § 2 des Sozialgesetzbuchs V besonderen Therapieeinrichtungen ausdrücklich Platz in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeräumt habe. Ausschließlich Vertragsärzte könnten homöopathische Leistungen verordnen. Abgedeckt seien Erst- und Folgeanamnese, homöopathische Analyse und die Suche nach geeigneten Arzneimitteln über einen Zeitraum von 24 Monaten. "Nach den 24 Monaten folgt ein Ruhejahr. Ein erneuter Anspruch auf die homöopathischen Leistungen haben Sie nach Ablauf des Ruhejahres", erklärt ein Sprecher.
Und weiter: "Außerdem erstattet die TK im Rahmen einer Satzungsregelung die Kosten für homöopathische Arzneimittel in Höhe von maximal 100 Euro pro Versicherten und Jahr. Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr beziehungsweise Kinder mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr haben hingegen einen gesetzlichen Anspruch darauf." Für Homöopathie gebe die TK "weniger als ein Promille" der Gesamtausgaben aus. Als Begründung für die Übernahme homöopathischen Behandlungen nennt die TK, dass so mehr Mitglieder in der Gesetzlichen Krankenversicherung gehalten und nicht in die Privatversicherung wechseln würden. "Damit machen wir die gesetzliche Versicherung für alle billiger und nicht teurer", betont der Sprecher.
Auch die Versicherten der IKK classic erhalten homöopathische Behandlungen als Kassenleistung von Vertragsärzten, die Schulmediziner mit einer anerkannten homöopathischen Zusatzausbildung sein müssen. "Kosten homöopathischer Arzneien für ältere Versicherte tragen wir im Rahmen unseres 'individuellen Gesundheitskontos' bis zu maximal 50 Euro jährlich", erklärt eine Pressesprecherin. Sie verweist auf den Marketingaspekt und darauf, dass eine Krankenkasse ohne die Kostenübernahme von Homöopathie möglicherweise Patienten verlieren könnte. "Da zahlreiche Menschen homöopathische Leistungen in Anspruch nehmen möchten und die Krankenkassen, ebenfalls nach dem Willen des Gesetzgebers, im Wettbewerb miteinander stehen, sind diese gehalten, ein entsprechendes Angebot vorzuhalten, um keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden", heißt es in der Antwort auf die esanum-Anfrage.