Ob Potenzmittel, Schlankmacher oder Anabolika – der illegale Handel mit gefälschten Arzneimitteln boomt. Der aktuellen Zollstatistik zufolge zogen Fahnder im vergangenen Jahr weit mehr illegale und gefälschte Medikamente aus dem Verkehr als in den Vorjahren. 2015 seien 3,9 Millionen Tabletten sichergestellt worden – annähernd viermal mehr als im Jahr 2014. Nach Erkenntnissen des Zolls nutzen im internationalen Vergleich die deutschen Verbraucher illegale Internet-Angebote besonders intensiv und lassen jede Vorsicht vermissen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte: “Ich empfehle jedem, Medikamente online nur aus nachweislich seriösen Quellen zu kaufen.” Die vermeintliche Schnäppchenjägerei könne erhebliche gesundheitliche Folgen haben. Aufgedeckt würden zunehmend größere kriminelle Strukturen und Verteilerbanden, so der CDU-Politiker.
Die Zahl der Personen, gegen die der Zoll ermittelt habe, sei gegenüber 2014 von 3.100 auf 4.100 gestiegen. Der überwiegende Teil der Wirkstoffe und Fertigprodukte kommt nach Angaben des Zolls aus China, vieles aber auch aus Indien und Thailand. Das Geschäft sei lukrativ. Im illegalen Medikamentenhandel lockten vierstellige Gewinnmargen. Letztlich könne hier mehr Geld gemacht werden als im Handel mit Betäubungsmitteln und Drogen. Besonders beliebt seien Lifestyle-Produkte. Der Zoll zog außerdem 16,7 Tonnen Rauschgift aus dem Verkehr, über drei Tonnen mehr als 2014. Der Trend beim Kokain-Schmuggel setzte sich fort: Die beschlagnahmte Menge erhöhte sich erneut von 1,2 auf nunmehr 1,7 Tonnen.
Internetseiten illegaler Online-Apotheken seien professionell gestaltet, um Seriosität vorzutäuschen, so die Zoll-Experten. Die Täter verfügten über eine umfangreiche Logistik und ausgefeilte Handelssysteme. Die online bestellte Ware werde in kleineren Mengen nach Deutschland geschmuggelt.
Die deutschen Verbraucher lassen nach Erkenntnissen der Expertenbei Online-Bestellungen von Arzneimitteln jede Vorsicht missen. Bei der Risikofreudigkeit von Internet-Bestellungen liege Deutschland nach einer britischen Studie auf Platz eins. 38 Prozent der Deutschen seien bereit, risikobehaftete Produkte im Internet zu bestellen.
Das Ergebnis sei umso unverständlicher, weil bei Arzneimitteln verschreibungspflichtige Medikamente überwiegend von den Krankenkassen bezahlt würden. Auch bei angeblichen Medikamenten auf Pflanzenbasis werde bei gefälschten Produkten Verbrauchern häufig etwas vorgegaukelt, hieß es. “Peinlichkeitsbestellungen” etwa des Potenzmittels Viagra seien unnötig, da diese Produkte ganz legal bezogen werden könnten.
Oft werde bei Bestellungen nicht mal das Impressum von Online-Apotheken gelesen, kritisieren Zoll-Experten. Bei einer von Ermittlern für genehmigte Tests eingerichteten Fake-Adresse einer Internet-Apotheke seien 1.400 Bestellungen eingegangen. Und dies, obwohl im Impressum des Online-Angebots ausdrücklich auf Folgendes hingewiesen worden sei: “Diese Apotheke wurde nur geschaffen, Sie zu belügen und zu betrügen…”.
Text: dpa/vt
Foto: dpa