Dass Ärztinnen oder Ärzten gravierende Fehler unterlaufen, ist relativ selten. Aber die Folgen können schwerwiegend sein. Damit Patientinnen und Patienten dann leichter Ansprüche durchsetzen können, sollen Neuregelungen auf die Agenda.
Wenn bei einer Operation etwas schief läuft oder ein Implantat wieder heraus muss, geht es zu allererst um die Gesundheit der Patientin oder des Patienten. Aber dann denken viele auch an Forderungen auf Schadenersatz - und lassen es am Ende nicht selten doch bleiben. Die Politik diskutiert deswegen seit längerem über mehr Patientenrechte bei Behandlungsfehlern, die ein sensibles Thema sind. Die SPD will Verbesserungen für viele Betroffene im neuen Jahr in der Koalition in Angriff nehmen. Patientenschützer, Opposition und auch die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) machen schon jetzt Druck dafür.
Es gehe um keine Gängelung der Ärztinnen und Ärzte, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Sabine Dittmar. Sondern um einen wichtigen Rechtsrahmen, um den Versorgungsalltag gleichberechtigt zu gestalten. Zu den wichtigen Punkten zählten zum Beispiel Erleichterungen bei Beweislasten für PatientInnen, schnellere Gerichtsverfahren und bundesweit einheitliche Vorgaben zu Haftpflichtversicherungen für alle Gesundheitsberufe.
Auch die AOKen dringen dafür auf eine Reform des seit 2013 geltenden Patientenrechtegesetzes. Bisher schreckten viele Patientinnen und Patienten davor zurück, Ansprüche wegen vermuteter Behandlungsfehler geltend zu machen, sagte der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch. Als Gründe wurden in einer Umfrage für die Kasse etwa Befürchtungen vor hohen Verfahrenskosten und mangelnde Kenntnis der Patientenrechte genannt. Konkret geht es um einen ganzen Katalog an Verbesserungen bei Behandlungsfehlern oder Problemen mit Medizinprodukten.
Patienteninformationen: Ärztinnen und Ärzte müssten generell über mögliche Behandlungs- oder Pflegefehler informieren, fordert die AOK. Also nicht nur wie bisher vorgeschrieben, wenn Patientinnen und Patienten danach fragen oder Gesundheitsgefahren drohen. Wird ohne Grund Einsicht in Behandlungsunterlagen verweigert, müsse das rechtliche Konsequenzen haben. Bei Selbstzahlerleistungen müssten nicht nur Kosten erklärt werden, sondern auch der genaue Nutzen.
Beweise bei Verdacht auf Fehler: Für Patientinnen und Patienten ist es oft schwer, finanzielle Forderungen durchzusetzen. Denn dafür müssen sie den Fehler und einen Schaden beweisen sowie auch noch, dass beides zusammenhängt. Um dies zu erleichtern, solle das Beweismaß gesenkt werden, fordert die AOK. Statt einer "weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit" dafür solle eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent reichen. Werden fehlerhafte Medizinprodukte wie Prothesen gewechselt, sei festzulegen, dass sie auch als Beweismittel weiter der Patientin oder dem Patienten gehören und nicht wie sonst manchmal nach einer OP vernichtet werden.
Haftpflichtversicherungen: "Es kann nicht sein, dass jeder Autofahrer im Falle eines Unfalls selbstverständlich über die Haftpflicht abgesichert ist, während es für Ärzte keine verpflichtende Absicherung gibt", sagte AOK-Chef Litsch. Wegen Gesetzeslücken und unterschiedlichen Länder-Vorgaben sei das erstaunlicherweise zumindest nicht flächendeckend gewährleistet. SPD-Expertin Dittmar verweist auch auf bisher fehlende Kontrollen und will außerdem ausdrückliche Vorgaben zur Höhe der Absicherung festschreiben.
Anderen Fachleuten gehen die Überlegungen nicht weit genug. "Es reicht nicht aus, die Beweislast für Patienten nur zu erleichtern", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. Sie müsse umgekehrt werden. "Es kann nicht sein, dass allein der Patient den schwarzen Peter hat." Er müsse Fehler beweisen, doch die Fakten hätten die Kliniken. Auch fehlten Vorschläge von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für einen Härtefallfonds, der bei tragischen Fehlern sofort greife und geschädigte Personen entschädige. Auch Dittmar will einen Fonds einführen.
Die Opposition mahnte bessere Patientenrechte als überfällig an. Damit Opfer von Behandlungsfehlern eine faire Chance vor Gericht hätten, müsse die Beweislast endlich herabgesetzt werden, sagte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink. Auch die Linke forderte die Einführung eines Härtefallfonds - im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, Vorschläge dafür zu prüfen.
Wichtig sei generell auch mehr Transparenz im Umgang mit Fehlern, sagte Dittmar und verwies auf Piloten als Vorbilder. Dabei ist die Zahl der festgestellten Behandlungsfehler nach Daten der Ärzteschaft im vergangenen Jahr erneut leicht zurückgegangen. Bestätigt wurden 1.499 Fälle mit Fehlern oder Mängeln bei der Risikoaufklärung als Ursache für Gesundheitsschäden - bei jährlich 20 Millionen Behandlungen in Kliniken und einer Milliarde Arztkontakten in Praxen. Wie viele Patientinnen und Patienten sich direkt an Gerichte, Anwaltskanzleien oder Versicherungen wenden, ist unbekannt. Eine Statistik gibt es nicht.