Die meisten Menschen in Deutschland sind für eine Impfpflicht, wie zwei Umfragen angesichts der Masernwelle in Berlin ergaben. Die Nachfrage nach Impfstoffen in Deutschland ist sprunghaft gestiegen. In Berlin müssen einige ungeimpfte Schüler und Lehrer daheimbleiben.
Rund drei Viertel der Deutschen befürworten Umfragen zufolge eine Impfpflicht für schwere Krankheiten wie Masern. Das zeigen zwei Anfang dieser Woche erhobene repräsentative Umfragen unter jeweils rund 1000 Bundesbürgern. Beide wurden am Donnerstag veröffentlicht. In Berlin ist ein Ende der Masernwelle derweil noch nicht abzusehen: Die Zahl stieg innerhalb eines Tages um 28 neue Fälle bis Donnerstag auf 637. Zwei Schulen wurde deswegen einen Tag geschlossen.
Nach Daten des Meinungsforschungsinstituts YouGov sagten 40 Prozent der Befragten, sie seien “sehr für eine Impfpflicht” für solche Krankheiten, 34 Prozent waren “eher für eine Impfpflicht”. Nur 21 Prozent waren “eher oder sehr gegen eine Impfpflicht”. 5 Prozent zeigten sich unentschlossen. Besonders viele Befürworter hatte die Impfpflicht in der Altersgruppe ab 55 Jahre.
In einer Emnid-Meinungsumfrage für das Nachrichtenmagazin Focus begrüßten 76 Prozent die Forderung nach einer gesetzlichen Impfpflicht für Masern, 17 Prozent waren dagegen. Im Osten Deutschlands sind demnach sogar 90 Prozent für diese Maßnahme. In der DDR gab es eine Impfpflicht für mehrere Krankheiten.
In einigen europäischen Ländern besteht derzeit eine Impfpflicht gegen Masern – unter anderem in Bulgarien, Estland, Kroatien, Serbien und Ungarn. In Deutschland wird darüber debattiert: Grüne und Linke haben sich imBundestag dagegen ausgesprochen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hält eine solche Maßnahme zwar für “rechtlich nicht ausgeschlossen”, sieht aber eine Impfpflicht nur als letztes mögliches Mittel. Ähnlich hatte sich zuvor Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geäußert.
Auch in Frankreich und Rumänien gibt es neue Debatten um eine Impfpflicht. In Österreich wird diese weitgehend abgelehnt, auch von der dortigen Ärztekammer und dem Gesundheitsministerium. Der Präsident der deutschen Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, plädierte vor einigen Tagen jedoch eindeutig dafür.
Der Masern-Ausbruch in Berlin lässt die Nachfrage nach dem entsprechenden Impfstoff bundesweit deutlich steigen. Gleich nachdem der Maserntod eines Kleinkindes bekanntgeworden sei, hätten die Bestellungen von Montag auf Dienstag je nach Region teilweise um das Fünffache zugenommen, berichtete ein Sprecher des Pharmagroßhändlers Sanacorp der Tageszeitung Die Welt (Freitag). Schwerpunkte lagen demnach im Raum Berlin und in Baden-Württemberg. Auch der Pharmagroßhändler Alliance Healthcare meldete zuletzt eine erhöhte Impfstoffnachfrage – deutschlandweit um 10, in Berlin um bis zu 250 Prozent.
In Berlin gab es allein seit Wochenbeginn 70 neue Fälle. Insgesamt sind während der aktuellen Masernwelle auch viele Erwachsene erkrankt. Bei rund einem Viertel aller Patienten verlief die Infektion so schwer, dass sie ins Krankenhaus kamen. Ein Kleinkind war vergangene Woche an Masern gestorben. Es war nicht gegen die Infektion geimpft.
Im Wald-Gymnasium in Berlin-Charlottenburg, das seine Schüler am Mittwoch wegen eines Masernfalles nach Hause geschickt hatte, lief der Unterricht am Donnerstag wieder – aber nicht für alle. “Wir haben die Impfnachweise aller Schüler zu Unterrichtsbeginn kontrolliert. Wer einen unklaren Impfstatus hat, muss zunächst zu Hause bleiben”, sagte Schulleiter Wolfgang Ismer.
Wie viele Schüler das insgesamt betraf, war am Donnerstagmittag unklar. Doch allein aus dem näheren Kontaktkreis des an Masern erkrankten Schülers dürfen acht Schüler und mindestens drei Lehrer vorsichtshalber bis zum 3. März nicht in die Schule kommen. Bereits am Montag war eine Oberschule in Berlin-Lichtenrade wegen eines Masernfalles für einen Tag geschlossen worden.
In der YouGov-Umfrage glaubten 81 Prozent, dass Impfungen im Allgemeinen wirken. 10 Prozent glauben das nicht, 9 Prozent sind sich unsicher. YouGov hatte die Menschen vom 23. bis 25. Februar befragt, Emnid am 23. und 24. Februar.
Text: dpa /fw