Im Alter verändert sich die Zusammensetzung des Körpers. Mitunter hat dies sogar Auswirkungen auf das Überleben geriatrischer Patienten, zum Beispiel bei der Sarkopenie. Doch gerade für Betagte und Hochbetagte fehlen validierte Methoden, um das Verhältnis von Fett, Wasser, Knochen und Muskeln im Körper zu bestimmen, sagt Professorin Kristina Norman: "Insbesondere die Muskelmasse in vivo zu messen, ist bei ihnen eine große Herausforderung.“ Die Ernährungswissenschaftlerin forscht an der Charité in Berlin und leitet die Abteilung Ernährung und Gerontologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke.
"Wir müssen insbesondere einfache Methoden bei älteren Patienten validieren. Durch solche Forschung werden sie aufgewertet", fordert Norman.
Prinzipiell seien viele Methoden für geriatrische Patienten gut anwendbar, so Norman. "Sie sind nichtinvasiv und können am Krankenbett eingesetzt werden, wie zum Beispiel Ultraschall oder die Bioimpedanzanalyse." Insbesondere beim Monitoring von gezielter Gewichtszu- oder -abnahme im Rahmen einer Ernährungstherapie könnten solche Methoden Ärzten Aufschluss darüber geben, ob der Anteil der Muskelmasse zunimmt. Besonders genau ist ein Ganzkörper-MRT, das wegen der hohen Kosten aber vor allem dem Einsatz in der Forschung vorbehalten bleibt.
Eine gängige Anwendung ist hingegen die Duale Röntgen-Absorptionsmessung DEXA, die üblicherweise zur Knochendichtemessung bei Verdacht auf Osteoporose eingesetzt wird, aber auch zur Bestimmung der Muskelmasse genutzt werden kann. "Die so bestimmte Magermasse wird häufig als Approximation der Muskelmasse angenommen", erläutert Norman. "Das ist aber bei vielen Patienten ungenau." So wird die Muskelmasse bei Wassereinlagerungen überschätzt, ebenso bei Adipösen, die einen höheren Anteil von Bindegewebe aufweisen.
"Messungen bei geriatrischen Patienten werden häufig nicht angemessen interpretiert", kritisiert Norman. Ein Beispiel dafür sei die Bioimpedanzanalyse, bei der mittels Wechselstrom der Anteil von leitfähigem Gewebe, zu dem auch die Muskeln gehören, und nicht leitfähigem Gewebe unterschieden wird. Der Anteil der Muskelmasse wird dann anhand von Formeln bestimmt. "Die Formeln stimmen aber meist nur für eine Allgemeinpopulation, die zumeist aus jüngeren und gesünderen Menschen besteht. Für einzelne Patienten, insbesondere für kranke Betagte müssen sie nicht zutreffen." Diese Validierung der Formeln wird häufig nicht an Menschen, die älter als 70 Jahre sind, überprüft.
"Entsprechend sind viele Methoden für geriatrische Patienten nicht so belastbar", sagt Norman. Um hier Abhilfe zu schaffen, fordert Norman weitere Forschung, um gängige Messmethoden auch mit älteren Probanden zu validieren. "Es reicht nicht, die Werte von jüngeren Probanden zu extrapolieren. Wir brauchen Referenzpopulationen für die Anwendung in der Geriatrie." Solche Vorhaben seien gut in den Fachgesellschaften angesiedelt, zum Beispiel in der Sektion Experimentelle Gerontologie. "Das zeigt, Forschung in unserem Fach hat durchaus translationalen Charakter und direkte Auswirkungen für die tägliche Arbeit", so Norman.
Im Hinblick auf die Anwendung in der Praxis rät die Ernährungswissenschaftlerin, die im jeweiligen Haus vorhandenen Messverfahren kritisch unter die Lupe zu nehmen: "Wiegt der Informationsgewinn die Limitationen auf?" Mit entsprechend informierter Interpretation seien sie dann auch für geriatrische Patienten anwendbar.
Quelle: DGG