Im April dieses Jahres wurde in den Medien über den möglichen Einsatz von Methadon als Krebsmedikament berichtet, was zu hohen Erwartungen bei Krebspatienten und ihren Angehörigen geführt hatte. Sowohl Onkologen als auch Onkologische Zentren hatten das Gefühl, mit Anfragen und Forderungen überschwemmt zu werden. Nun hat die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. eine Online-Umfrage unter ihren Mitgliedern zum Thema Methadon durchgeführt.
In der Zeit vom 27. Juli bis zum 4. August 2017 haben 473 DGHO-Mitglieder einen Fragebogen der Fachgesellschaft zu ihren Erfahrungen mit Methadon in der Krebstherapie ausgefüllt. 83 Prozent dieser onkologisch tätige Ärztinnen und Ärzte aus Praxen und Krankenhäusern gaben an, von ihren Patienten in letzter Zeit "oft" oder "sehr oft" auf die Möglichkeit einer Methadon-Therapie angesprochen worden zu sein. Zwei Prozent der Onkologen berichteten von Krankheitsverläufen, in denen eine direkte oder zusätzliche Wirkung von Methadon auf den Tumor plausibel schien. Dagegen gaben 20 Prozent der Befragten an, im Zusammenhang mit der Einnahme von Methadon unerwartete oder ausgeprägte Nebenwirkungen beobachtet zu haben.
Detaillierte Einzelfallbeschreibungen konnten auf diesem Weg aufgrund der Schweigepflicht und datenschutzrechtlicher Gründe nicht erhoben werden. Nur sehr wenige Onkologen verschrieben Methadon selbst, häufiger betreuten sie Patienten, denen Methadon von anderen Ärzten rezeptiert wurde. Eine besondere Rolle spielten die mit Methadon verbundenen Erwartungen. 77 Prozent der Befragten erlebten Gespräche über Methadon als kompliziert, 86 Prozent als emotional. 81 Prozent berichteten von Enttäuschungen seitens der Patienten.
Die Umfrage belegt das große, von vielen in der Onkologie Tätigen subjektiv erlebte Interesse an Methadon. Gleichzeitig sind positive Erfahrungen sehr selten. Die DGHO hatte bereits in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2017 kritisiert, dass die bisher vorgelegten Daten zur Wirksamkeit von Methadon bei Patienten mit Gliomen ausschließlich auf einer einzigen, unkontrollierten Studie bei Patienten mit Hirntumoren beruhen.
In diesem Zusammenhang hatte die Fachgesellschaft deutlich gemacht, dass aufgrund der fehlenden Evidenz eine unkritische und undifferenzierte Off-Label-Anwendung von D,L-Methadon im Rahmen der Krebstherapie nicht gerechtfertigt ist. PD Dr. med. Ulrich Schuler, Direktor des Universitäts PalliativCentrum des Universitätsklinikums Dresden und Leiter des DGHO-Arbeitskreises Palliativmedizin fordert, dass die derzeit zur Verfügung stehenden Daten in kontrollierten Studien überprüft werden müssten: "Idealerweise in einer randomisierten Studie, alternativ in einer Fall-Kontroll-Studie. Eine kurzfristige Option ist die Durchführung einer Bestfall-Analyse anhand der vorliegenden Dokumentationen."
Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik für den Bereich Onkologie, Hämatologie und Knochenmarktransplantation mit Sektion Pneumologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, betont, dass die Online-Umfrage unter den Mitgliedern der Fachgesellschaft die Breite der Debatte und die verschiedenen Perspektiven der Akteure deutlich mache. "Verzweifelte Patienten und ihre Angehörigen greifen nach Methadon als Strohhalm. Die Ergebnisse zeigen, dass unsere Patienten das Thema sehr häufig mit in die Sprechstunden bringen. Mit einer Methadon-Therapie verbinden sie Hoffnungen, die sich durch die aktuelle Evidenzlage und die praktischen Erfahrungen von Onkologen nicht rechtfertigen lassen. Die meisten dieser Patienten brauchen gute onkologische Betreuung, Begleitung und Gespräche – nicht ein Methadon-Rezept."