Gendolla: Ich habe in der Pandemie festgestellt, dass die Aufmerksamkeitsspanne bei online-Vorträgen am Stück nach kurzer Zeit sehr nachlässt. Daher haben wir das Diskussionsformat gewählt – als Fortbildung via Gespräch, wie wir es auch zu COVID gemacht haben. Auslöser für die Idee war auch die Erfahrung, dass man anhand von konkreten Patienten-Fällen am besten lernt.
Gendolla: Migräne ist die neurologische Erkrankung, die Patienten am schwersten betrifft. Man kann sie nicht beweisen. Man sieht sie nicht, es gibt keine Tests. Sie ist nur im Gespräch diagnostizierbar. Wir sehen den Patienten meist im beschwerdefreien Intervall, also gesund und munter. Und ich kann die Schwere der Erkrankung eigentlich nicht erfassen. Deswegen möchte ich gern, dass jeder dieser Patienten gefragt wird: Was bedeutet ihre Erkrankung für Sie persönlich? Da zeigen sich dann die Schwere der Erkrankung, die Einschränkungen, die Behinderungen. Daran kann man entscheiden, ob der Patient weitergeschickt oder selbst behandelt werden kann
Gendolla: Im ersten Teil wollen wir dem Hausarzt Rüstzeug an die Hand geben, wie man mit einfachen diagnostischen Fragen die Diagnose klären und dann geeignete Behandlungsstrukturen schaffen kann. Es geht auch um die Unterscheidung von Migräne und Kopfschmerz. Im zweiten Teil wollen wir eher Experten und interessierte Hausärzte ansprechen, die sich für Sonderfälle interessieren, wie trigeminoautonome Kopfschmerzen, Kopfschmerzen durch Hormone.
Gendolla: In Deutschland ist die Versorgung von Kopfschmerzpatienten sehr gut, wenn man in der richtigen Ecke wohnt. Im Ruhrgebiet ist die Versorgung gut, im Norden und Osten sieht es flächendeckend nicht ganz so gut aus. Was sich aber ändern müsste, ist die Wahrnehmung der Migräne als ein Krankheitsbild, das den Patienten schwer betrifft, sodass man die Bedeutung für die individuelle Lebensgestaltung besser erfasst. Patienten neigen oft eher dazu, ihre Beschwerden zu akzeptieren und herunterzuspielen.
Gendolla: Patienteninformation ist ein sehr guter Weg, um eine Verbessrung der Versorgung zu erreichen. Denn die Patienten, auf die wir uns in Studien beziehen, sind ja nur die diagnostizierten Fälle. Darüber hinaus gibt es aber Unter- und Fehldiagnosen. Viele wissen nicht, dass ihre Erkrankung, beispielsweise medikamenteninduzierter Kopfschmerz, gut behandelbar ist und gehen deswegen damit nicht zum Arzt. Das Gros, das nur leicht bis mäßig betroffen ist, kann aber sehr gut beim Hausarzt behandelt werden. Hier werden also gezielt Hausärzte angesprochen, um mit einfachen Fragen Patienten identifizieren und diagnostizieren zu können. Zum Beispiel: Wird ihr Kopfschmerz schlimmer, wenn Sie den Kopf bewegen - dann ist es nämlich wahrscheinlich, wenn kein Infekt vorliegt, Migräne. Diese einfachen Tools liegen in Hausarztpraxen aus, gerade auch für Patienten, die wegen etwas anderem kommen, sodass sie ihren Arzt darauf ansprechen können.
Frau Dr. med. Astrid Gendolla ist Fachärztin für Neurologie mit der Zusatzqualifikation Spezielle Schmerztherapie und Psychotherapie in eigener Praxis für Neurologie, Psychosomatik, Psychatrie, Nervenheilkunde, Psychotherapie und spezielle Schmerztherapie in Essen.
Dr. med. Astrid Gendolla ist wissenschaftliche Leiterin der beiden Expertenrunden "Kopfschmerz in der Praxis" - hausärztliche Versorgung, moderiert von Dr. Petra Sandow, sowie "Kopfschmerz in der Praxis" - neurologische Fachthemen, die sie selbst moderieren wird. Melden Sie sich jetzt für eine der Sendungen an:
Migräne und Kopfschmerz in der hausärztlichen Praxis
Neurologische Fachthemen rund um Migräne und Kopfschmerzen