In vielen Stationen sind Mitarbeiter am Limit oder darüber hinaus. Die Regierung zieht nun Untergrenzen ein - das reicht längst nicht allen.
Krankenhaus-Patienten sollen sich künftig in wichtigen Abteilungen auf eine feste Mindestbesetzung mit Pflegekräften verlassen können. Dafür kommen zum 1. Januar 2019 verpflichtende Untergrenzen für Intensivstationen sowie Abteilungen für Kardiologie, Geriatrie und Unfallchirurgie. Gesundheitsminister Jens Spahn will sie in einer Verordnung festschreiben, die wohl noch in dieser Woche in Kraft treten soll. "Ein Mangel an Pflegekräften gefährdet Patienten", sagte der CDU-Politiker am Montag. Deswegen würden nun Mindeststandards definiert. Das Ziel sei: "Wer zu wenig Pflegekräfte für zu viele Patienten hat, muss Betten abbauen."
Die Untergrenzen sollen für vier Bereiche der Krankenhäuser gelten, in denen Patienten besonders auf Pflege angewiesen sind. Konkret soll in Intensivstationen in der Tagschicht künftig eine Pflegekraft für höchstens 2,5 Patienten da sein, nachts für 3,5 Patienten. In einer zweiten Stufe ab 1. Januar 2021 soll sich tagsüber eine Pflegekraft um höchstens zwei Patienten kümmern, nachts um maximal drei. Dabei gilt in der Regel die Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr als Tagschicht. In der Unfallchirurgie sind ab 1. Januar 2019 tagsüber maximal 10 Patienten pro Pfleger zulässig, nachts 20 Patienten. Dieser Schlüssel gilt auch für die Geriatrie. In der Kardiologie muss tagsüber eine Pflegekraft für maximal 12 Patienten da sein, in den Nachtschichten für nicht mehr als 24 Patienten zugleich.
Die Pläne sind Teil von Bemühungen, die Personalnot in der Pflege zu lindern - in der Krankenpflege sind bundesweit rund 12.000 Stellen für Fachkräfte und Helfer unbesetzt. Die Bundesregierung hat deswegen schon mehrere Vorhaben auf den Weg gebracht, um die oft belastenden Arbeitsbedingungen zu verbessern. So soll in Krankenhäusern jede aufgestockte Stelle von den Krankenkassen bezahlt werden. Spahn legt die Untergrenzen nun fest, nachdem Verhandlungen zwischen Kliniken und Kassen gescheitert waren. Die Pläne müssen nicht ins Kabinett.
Geregelt werden soll nun auch, dass überwiegend höher qualifizierte Fachkräfte präsent sein müssen. Der Anteil von Hilfskräften an der Gesamtzahl der Pflegekräfte darf demnach in Intensivstationen maximal acht Prozent betragen. In Unfallchirurgie und Kardiologie dürfen es tagsüber höchstens 10 Prozent Hilfskräfte sein, nachts 15 Prozent - in der Geriatrie in der Tagschicht 20 Prozent und nachts 40 Prozent. Ausnahmen von den Untergrenzen sind generell möglich, wenn plötzlich viel Personal wegen Krankheit ausfällt oder auf einmal besonders viele Patienten kommen - etwa bei Epidemien oder Unfallkatastrophen.
Patientenschützer und die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) befürworten die Pläne, fordern aber deutlich weitergehende Verbesserungen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einem "ersten Schritt". Nötig sei aber eine Personalbemessung, die sich an Patientenbedürfnissen und der Pflegequalität orientiere - und dann auch für alle Stationen mit Pflegekräften gelte.
Der GKV-Spitzenverband erklärte, mit den Untergrenzen könne sich zumindest in diesen Bereichen keine Klinik mehr vor Mindeststandards drücken. Sie dienten aber nur dazu, Patientengefährdung zu vermeiden, und seien bestenfalls mit einer Schulnote vier zu vergleichen. "Gerade noch versetzt, aber alles andere als gut", sagte GKV-Sprecher Florian Lanz der dpa. Ziel müsse es sein, dass Kliniken für ausreichend Personal am Krankenbett sorgen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte unzureichende Regeln zu Ausnahmen. "Schon größere Unfälle können dazu führen, dass Kliniken Patienten abweisen müssten, um die Untergrenzen einzuhalten. In Zeiten anerkannter Personalknappheit in der Pflege brauchen die Krankenhäuser größere Flexibilität."
Spahn sagte: "Damit sich Krankenhäuser darauf einstellen können, führen wir die Mindeststandards schrittweise, aber konsequent ein." Seine Pläne hat er noch etwas geändert. So werden nun nicht noch extra Vorgaben für Wochenenden gemacht. Der Minister setzt auch auf eine bessere regionale Zusammenarbeit unter den Kliniken. "Wenn es in einer Stadt drei Krankenhäuser gibt, braucht ja nicht jedes eine Unfallchirurgie oder eine Kardiologie", sagte er dem Handelsblatt.