2017 setzten die Experten der Uniklinik Dresden erstmals mit Holmium-166 beladene Mikrosphären ein – Anfang Februar 2019 wurde nun beim ersten Krebspatienten weltweit eine neue Testsubstanz eingesetzt.
Das Wachstum von Tumoren beziehungsweise Metastasen lässt sich mit der "Selektiven Internen Radio-Therapie“ – kurz SIRT – in vielen Fällen wirksam bremsen. Mit dem Verfahren lässt sich das Krebsgewebe gleichzeitig aushungern und bestrahlen. Bei dieser minimalinvasiven Therapie nutzen die Nuklearmediziner und Radiologen Mikrosphären: winzige Kügelchen mit einem Durchmesser von 20 bis 30 Mikrometern werden über einen Katheter direkt in die Arterien des betroffenen Organs eingeschleust. Sie passieren das gesunde Gewebe, verstopfen jedoch die kleineren Blutgefäße der Tumore oder Metastasen und verringern so deren Durchblutung. Dieses Prinzip wird Embolisation genannt. Die in den Gefäßen steckenbleibenden Mikrosphären geben dabei radioaktive Strahlung ab, die das kranke Gewebe so stark schädigt, dass es abstirbt.
Im gesunden Teil der Leber würde Holmium-166 großen Schaden anrichten – vor dem Eingriff muss deshalb genau überprüft werden, an welchen Stellen der Wirkstoff eingesetzt werden kann. Bisher haben die Mediziner für diesen Test eine Substanz eingesetzt, die dem Holmium-166 sehr ähnlich ist, aber eben nicht identisch. "Die neue Testsubstanz ist genau wie das Therapeutikum und gibt uns sowie den Patienten mehr Sicherheit“, sagt Prof. Ralf-Thorsten Hoffmann, Direktor des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie. "So können wir den Tumor bestmöglich schädigen, ohne dabei die gesunde Leber anzugreifen.“
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden übernimmt damit erneut eine Vorreiterrolle: Seit 2017 setzen die Experten der Klinik für Nuklearmedizin in Zusammenarbeit mit den Kollegen des Instituts für Radiologie die mit Holmium-166 radioaktiv beladenen Kügelchen ein – der weltweit erste Patient damals wurde am Universitätsklinikum behandelt. Anfang Februar 2019 wurde beim ersten Krebspatienten weltweit eine neue Testsubstanz vor der Therapie der von Metastasen befallenen Leber mit radioaktiv beladenen Kügelchen eingesetzt – erst im Januar 2019 wurde der Wirkstoff auf dem Markt zugelassen.
Bis 2017 nutzten Ärzte weltweit den Beta-Strahler Yttrium-90 mit aus Glas oder Kunstharz bestehenden Kügelchen als Trägersubstanz. Die nun eingesetzten Mikrosphären bestehen aus dem Kunststoff Polylactid und sind mit Holmium-166 markiert. Das weist besondere paramagnetische Eigenschaften auf, die denen des Eisens weit überlegen sind. Am Uniklinikum Dresden wurden im April 2017 erstmals weltweit diese Sphären in der klinischen Routine eingesetzt. Seitdem wurden 15 Patienten damit behandelt. Die Methode wird ausschließlich bei Patienten eingesetzt, bei denen der Tumor in der Leber bereits Metastasen gebildet hat und eine Operation nicht infrage kommt. Die Entscheidung, Krebspatienten mit der Selektiven Internen Radio-Therapie zu behandeln, fällt im interdisziplinären Tumorboard des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT/UCC). In diesem Gremium diskutieren die Experten aller mit der Behandlung von Krebsleiden befassten Fachgebiete mehrmals wöchentlich die Befunde aller Krebspatienten und entscheiden einvernehmlich über die weiteren Schritte von Diagnostik und Therapie.
Um passgenau nur die vom Krebs befallenen Stellen mit den Holmium-166-Kügelchen zu therapieren, müssen die Mediziner vorher eine Testsubstanz verabreichen. Damit können Sie die genaue Verteilung der Blutgefäße in der Leber und im Tumor erkennen. Bisher stand dafür eine Testsubstanz zur Verfügung, die zwar dem Holmium-166 ähnelte, jedoch nicht identisch war. Diese Unsicherheit für die Mediziner ist jetzt behoben. Der neue Teststoff entspricht dem Therapeutikum in Größe und Dichte; er wurde erst im Januar 2019 zugelassen. "Nun können wir noch genauer bestimmen, wie sich das Holmium-166 in der Leber verteilt und ob es genau an die Stelle in der Leber gelangt, wo wir den Tumor und die Metastasen bekämpfen wollen“, sagt Prof. Ralf-Thorsten Hoffmann. Die Testsubstanz erlebte ihre Weltpremiere Anfang Februar 2019 am Uniklinikum Dresden, als sie einem 65-jährigen Patienten appliziert wurde.