Wo sich Kassenärzte niederlassen, steht ihnen nicht einfach frei. Eine Steuerung soll eine möglichst flächendeckende Präsenz sichern. Das Netz könnte nun enger werden - alle Probleme löst das aber nicht.
Für die Versorgung von Kassenpatienten in Deutschland können deutlich mehr Praxisstandorte entstehen als bisher möglich. Das geht aus neuen Regeln für die Planung des Bedarfs in den Ländern hervor, die der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken am Donnerstag in Berlin beschloss. Zusätzlich zu gut 3.400 freien Arztsitzen ergeben sich demnach fast 3.500 neue Niederlassungsmöglichkeiten bundesweit. Dies ermögliche eine "noch wohnortnähere" Versorgung, sagte der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken. Die Versorgung könne außerdem genauer an das Krankheitsgeschehen in den jeweiligen Regionen angepasst werden.
Beschlossen wurde nun ein neuer Rahmen für die Bedarfsplanung, die aber konkret auf Landesebene umgesetzt wird. Dabei geht es um die Zahl und die regionale Verteilung sogenannter Vertragsarztsitze für Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten mit einer Zulassung für die Versorgung gesetzlich versicherter Patienten. Vergrößert werden die Möglichkeiten, vom bundesweiten Rahmen vor Ort abzuweichen. Die neuen Planungsregeln sollen zum 30. Juni in Kraft treten, für die Umsetzung in den Ländern sind dann weitere sechs Monate Zeit.
Unter den zusätzlich möglichen Arztsitzen sind den Angaben zufolge 1.446 für Hausärzte, 776 für Psychotherapeuten, 476 für Nervenärzte und 401 für Kinder- und Jugendärzte. Hecken betonte aber: "Mit den neuen Niederlassungsmöglichkeiten haben wir noch keinen einzigen neuen Arzt am Patienten." Bereits heute seien mehr als 2.700 Hausarztsitze unbesetzt, nun kämen noch weitere dazu - vor allem in ländlichen Gebieten. Hier attraktive Angebote für junge Ärzte zu machen, sei eine große Aufgabe für Länder, Kreise und Kommunen.
Die Bedarfspläne sollen die regionale Verteilung von Arztpraxen der verschiedenen Fachrichtungen für Kassenpatienten steuern. Zentrale Berechnungsgrundlage für den Bedarf ist dabei die Einwohnerzahl pro Arzt. Von bundesweiten Durchschnittszahlen kann dann aber vor Ort abgewichen werden. Dabei kommt es zum Beispiel darauf an, wie viele Kinder oder ältere Menschen es gibt. Ein genereller Mehrbedarf an Ärzten wurde nun unter anderem für Kinderärzte, Nervenärzte und Psychotherapeuten festgestellt. Die Bundespsychotherapeutenkammer kritisierte die mögliche Steigerung um knapp 800 Sitze als "völlig unzureichend". Ländliche Regionen blieben massiv benachteiligt.
Die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) begrüßten die neuen Regeln. "Damit wird die ambulante Versorgung für 73 Millionen gesetzlich Versicherte wieder einen Schritt besser", sagte der Vize-Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Unter anderem könne auf Änderungen etwa in der Altersstruktur der Patienten schneller reagiert werden.
Beim Versorgungsangebot gibt es weiterhin große regionale Unterschiede. Am dichtesten ist das Netz in Freiburg im Breisgau mit 395,3 Ärzten und Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner. Am wenigsten niedergelassene Mediziner in diesem Verhältnis gibt es mit 84,3 im Landkreis Coburg in Bayern, wie aus dem Bundesarztregister mit Stand Ende vergangenen Jahres hervorgeht.
Zur Gesundheitsversorgung einer Region tragen die Praxen aber nicht alleine bei - dazu kommen Ärzte in Krankenhäusern sowie etwa auch Physiotherapeuten, Logopäden und andere Heilberufler. Zudem nutzen Patienten aus eher dünn besiedelten Umlandregionen oft Praxen in angrenzenden Ballungsräumen. Konkret kommt es auch darauf an, wie weit entfernt Arztpraxen liegen - und wie gut die Anbindung mit Bussen und Bahnen in der Region dafür ist.