Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen – das gilt auch für Berliner Nachtclubs. Um der COVID-19-Pandemie entgegenzuwirken, besteht ab sofort im Hof des KitKatClubs die Möglichkeit, sich einem Corona-Schnelltest zu unterziehen. Dr. med. Nikolai von Schroeders und ein Mitarbeiter des Clubs erläutern genauer, wie es dazu gekommen ist.
Lange Schlangen vor dem Nachtclub KitKat in Berlin-Mitte stellen grundsätzlich keinen ungewohnten Anblick dar – tagsüber, unterhalb der Woche, mit Abstand und Maske hingegen schon. Seit dem 04.12. besteht im Hof des Clubs die Möglichkeit, sich mittels Antigen-Schnelltest auf COVID-19 testen zu lassen. Ein Angebot, das offensichtlich ankommt. "Die Aktion wurde allgemein gut angenommen, nicht nur von KitKat-Stammgästen, sondern auch von Familien oder Firmen. Im Querschnitt waren da wirklich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten dabei", erläutert Robert, Mitarbeiter im Club, und ergänzt: "Die Idee ist folgende: Wir wollen Möglichkeiten aufzeigen, wie man durch diese Krise kommen kann, den Leuten Perspektiven bieten und auch zeigen, dass wir immer noch da sind."
Auch Niko, Arzt, Gesundheitsökonom und einer der betreuenden Mediziner vor Ort, berichtet von 300 bis 500 Tests, die täglich im Hof des Clubs durchgeführt werden, und zeigt sich amüsiert, „altbekannte“ Berliner Szenarien wiederzusehen: "Klar, die Schlange ist lang, aber ich musste sehr darüber lachen, als ich im Netz sah, dass vor dem KitKat wieder eine Schlange steht – nur halt tagsüber und nicht Samstagnacht." Der Mediziner versteht die Aktion in einer Zeit, in der Testkapazitäten grundsätzlich am Anschlag sind, als hervorragendes Ergänzungsangebot – nicht als Konkurrenz zu PCR-Tests: "Wenn wir ein positives Ergebnis haben, muss das sofort über das Gesundheitsamt und einen PCR-Test weiterlaufen. Aber auch der negative Test bedeutet nicht, dass man die Oma in den Arm nehmen sollte."
Die Antigen-Schnelltests versteht Niko als gute Möglichkeit, viele Menschen innerhalb von jeweils 15 Minuten zu testen, betont allerdings, dass die Sicherheit eines PCR-Tests auf diesem Weg natürlich nicht gewährleistet werden kann. "Diese Antigen-Schnelltests detektieren Bestandteile des Virus, damit sind sie gut für Massentestungen geeignet. Man muss natürlich betonen, dass sie nicht so genau wie der PCR-Labortest sind, können diesen also auf keinen Fall ersetzen. Dieser Test eignet sich nur um zu sagen: Bin ich jetzt eher ansteckend oder eher nicht." Die Testergebnisse könnten auch teilweise für Auslandsreisen vorgelegt werden – dies sei allerdings von Fluganbieter und Reiseziel abhängig. Nach ausführlicher medizinischer Schulung ist auch das Personal des Clubs unter ärztlicher Aufsicht berechtigt, diese Art von Schnelltests durchzuführen. Robert erläutert dazu: "Wir streichen den Rachen-Hinterraum ab und der Test reagiert darauf, ob die Viruslast im Rachen schon vorhanden ist. Deshalb ist auch zu berücksichtigen, dass der Test für ungefähr 6 bis 12 Stunden zeitlich befristet ist. Es ist schließlich möglich, dass man eben erst infiziert wurde."
Kritik an einer angeblichen Ungenauigkeit der Antigen-Schnelltests, wie sie jüngst vom Berufsverband Deutscher Laborärzte geäußert wurde, kann der Club-Mitarbeiter nur bedingt nachvollziehen. "Es gibt immer eine gewisse Dunkelziffer, wo Fehler entstehen können, aber das gilt ja für alle in Fabriken hergestellten Güter. Fehler können immer passieren. Wir bieten den Leuten eine Dienstleistung an, mit der sie testen können, ob sie positiv oder negativ sind, wir melden positive Ergebnisse direkt ans Gesundheitsamt oder die Ärztevereinigung weiter. Wenn Leute positiv sind, sind sie in jedem Fall verpflichtet, einen PCR-Test zu machen." Falsch-negative Ergebnisse gab es nach seinem Wissensstand bislang nicht im KitKat-Testzentrum. Und sollte doch mal ein falsch-positives Ergebnis vorliegen? "Wenn es mal ein falsch-positives Testergebnis gibt, ist das natürlich für die betroffene Person ärgerlich, aber im Zweifelsfall denke ich, dass es besser ist, einmal zu oft als einmal zu wenig einen Test gemacht zu haben." Niko kann die Kritik an den Schnelltests durchaus nachvollziehen, gibt aber auch zu bedenken: "Es ist natürlich ganz, ganz schwierig, wir sagen den Leuten ja auch, dass unser Test keine 100%ige Sicherheit bietet. Das kann aber kein Test. Ich bin aber schon der Ansicht, dass die große Nachfrage in der Bevölkerung vorhanden ist und die Leute wissen wollen, ob sie infiziert sind, auch wenn sie nach der jetzigen Testrichtlinie keinen Test bekommen dürfen." Die Tests eigneten sich somit also, um auch Sorgen in der Bevölkerung entgegenzuwirken. "Viele Leute haben Angst und wenn man das Gefühl hat, man kann durch den Test etwas tun, dann geht es ihnen schon viel besser." Alle Beteiligten kämpften laut Aussage des Mediziners darum, dass die Vorgänge zu jedem Zeitpunkt seriös und organisiert ablaufen. "Aber auch mit einem Augenzwinkern."
Auch in fachmedizinischen Kreisen ist die Test-Aktion des Clubs laut Niko, der zum Team gestoßen ist, indem er einem Social Media-Aufruf des KitKats gefolgt ist, bislang gut angekommen. "Die Mediziner sehen das ganz entspannt. Da wurde vielleicht am Anfang eher skeptisch geguckt, wie denn KitKat und Testzentrum zusammenpassen. Aber jetzt ist klar zu sehen: Das hier ist ein ganz normales Testcenter und findet schließlich draußen auf dem Hof, nicht im Club statt." Auch Robert bestätigt: "Bislang war das Feedback sehr positiv. Wir sind ja auch unter ärztlicher Aufsicht, um auch für uns selbst Sicherheit zu haben. Es soll schließlich sichergestellt werden, dass wir die Tests auch richtig machen." Aus diesem Grund sei jeden Tag fachärztliches Personal vor Ort.
Möchte man sich im Hof des KitKats testen lassen, so erfolgen viele der Schritte digital. "Man muss sich vorher online registrieren, erhält einen QR-Code und der wird mit dem Test hier verknüpft. Auch das Testergebnis erhalten die Leute dann digital. Nur der kurze Moment, in dem die QR-Codes gescannt und der Abstrich entnommen wird, erfolgt vor Ort. Das passiert alles an der frischen Luft, daher ist es vermutlich das wichtigste, sich warm anzuziehen", schildert Niko. Einen Hinweis möchte Robert noch mit auf Weg geben: "Direkt vor dem Test zu rauchen, verfälscht das Testergebnis. Die Leute sollten tendenziell eine Viertelstunde vorher nicht mehr rauchen."
Seitdem das KitKat als Testzentrum genutzt wird, fühlt sich Robert subjektiv besser vor COVID-19 geschützt. "Aufgrund der Hygiene-Maßnahmen, die wir einhalten, fühle ich mich persönlich hier sicherer als wenn ich mit der BVG unterwegs bin. Wir haben FFP2-Masken, haben Handschuhe und desinfizieren uns sehr regelmäßig. Wir achten sehr auf uns. Dementsprechend fühle ich mich hier sehr sicher. Außerdem habe ich hier den "Luxus", jeden Morgen getestet zu werden. Damit wir selber keine Superspreader-Events generieren, testen wir uns jeden Morgen, bevor wir anfangen, selber." Niko beurteilt das Infektionsrisiko vor Ort folgendermaßen: "Da müssen wir ganz ehrlich sein: Wenn wir komplett risikoarm sein wollen, müssen wir alle zuhause bleiben. Wer sich hier mit Menschen befasst, muss alles tun, um sich und die anderen zu schützen. Ein gewisses Risiko gehe ich schon ein, aber das müssen alle Menschen in der Medizin, die zur Bekämpfung der Pandemie beitragen wollen."
Gespannt blickt der Medizinier auch auf die Möglichkeit, ob die Tests in Zukunft auch zu einer schnelleren Wiedereröffnung von Clubs genutzt werden könnten. "Wenn wir die Möglichkeit haben, über Schnelltests eine höhere Sicherheit herzustellen, würde ich persönlich sagen: Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich auf eine Party gehe und alle vorher getestet sind. Fluggesellschaften machen das ja auch schon, zumindest testweise, dass es COVID-negativ-Flüge gibt. Das erachte ich schon als großen Gewinn an Sicherheit. Warum soll das nicht auch in Clubs funktionieren?"