Neue Angriffsziele im Kampf gegen chronisch-entzündliche Darmkrankheiten

Derzeit werden eine Reihe neuer Behandlungsstrategien für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen untersucht, die sich in Phase-2-Studien bereits bewährt haben. Auf dem ECCO-Kongress wurden neue Therapietargets wie die Januskinasen vorgestellt.

Derzeit werden eine Reihe neuer Behandlungsstrategien für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen untersucht, die sich in Phase-2-Studien bereits bewährt haben. Auf dem ECCO-Kongress wurden neue Therapietargets wie die Januskinasen vorgestellt.

Der römische Gott Janus ist der Gott der Türen, des Anfangs und Endes, von Vergangenheit und Zukunft. Er hat zwei Gesichter, die in entgegengesetzte Richtungen blicken. Weil Januskinasen (JAK) als Mittler zwischen "Außen" und "Innen" fungieren, hat man sie nach diesem Gott benannt, erläuterte Dr. Séverine Vermeire (Universitätsklinikum Leuven, Belgien). Anders als Biologika fangen JAK-Inhibitoren die Zytokinsignale nicht im Extrazellulärraum, sondern intrazellulär ab und geben sie an ein anderes Molekül weiter.

Die JAK-Familie besteht aus mehr als 80 kleinen Molekülen, und sie treten immer als Tandem auf. Je zwei Mitglieder dieser Familie, die aus den vier Proteinen JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2 (Tyrosinkinase 2) besteht, bilden ein Paar, das spezifisch für eine Gruppe von Zytokinrezeptoren ist. Da sie die Signalweiterleitung gleich mehrerer Zytokine beeinflussen, erhofft man sich einen größeren Effekt auf Zytokin-vermittelte Entzündungs- und Immunprozesse.

Tatsächlich scheint sich der Teufelskreis aus Entzündung und Gewebeschädigung durch Inhibition des JAK-Signalwegs unterbrechen zu lassen. Allerdings, so schränkte Vermeire ein, ist es aufgrund ihrer multifunktionalen Rolle und der begrenzten klinischen Daten, zurzeit noch sehr schwierig, das individuelle Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil der einzelnen JAK-Hemmer vorauszusagen.

Tofacitinib bremst die Zellkommunikation aus

Der neue Arzneistoff Tofacitinib hemmt vor allem JAK1 und JAK3 und bremst die Zellkommunikation mit einigen Interleukinen und Interferonen aus. Gleichzeitig wird das Immunsystem gedämpft. Nachdem Phase-2-Studien gute Ergebnisse für die Colitis ulcerosa erbracht hatten, wurde kürzlich eine Phase-3-Studie zur Effizienz und Sicherheit abgeschlossen, die Dr. Julián Panés (Hospital Clinic Barcelona) vorstellte [1].

In Woche 52 zeigte Tofacitinib (5 und 10 mg) eine signifikant höhere Wirksamkeit gegenüber Placebo für den primären Endpunkt Remission sowie für die sekundären Endpunkte Mukosaheilung, klinische Response und anhaltende Remission. Die Ergebnisse waren für TNFα-vorbehandelte und TNFα-naive Patienten ähnlich. Als Nebenwirkung wurde eine dosisabhängige Zunahme der Herpes Zoster-Rate beobachtet, außerdem Magen-Darm-Erkrankungen sowie Fälle von Harnwegsinfektionen und Nasopharyngitis.

Filgotinib hemmt die STAT-Phosphorylierung

Chronisch-entzündliche Darmkrankheiten hängen mit der Aktivierung des intrazellulären Signalwegs STAT3 zusammen. Der selektive JAK1-Inhibitor Filgotinib blockiert diesen Zytokin-Signalweg durch die Hemmung der STAT-Phosphorylierung. In einer Phase-2-Studie (FITZROY) konnte die Wirksamkeit von Filgotinib bei Morbus-Crohn-Patienten bereits nachgewiesen werden [2].

"Um den Wirkmechanismus der Substanz bei Crohn-Patienten zu verstehen, haben wir innerhalb dieser Studie das Niveau von pSTAT3 in Darmbiopsien gemessen", berichtete Prof. Gert De Hertogh (Universitätsklinikum Leuven, Belgien). Während des Screenings und in Woche 10 der Filgotinib-Behandlung wurden Biopsien aus dem unteren Gastrointestinaltrakt gesammelt. Nach Abschluss der Therapie war das pSTAT3-Niveau in den am stärksten betroffenen Schleimhaut-Segmenten bei Patienten mit klinischer Remission um 62 % reduziert. Im Placebo-Arm nahm das pSTAT3-Niveau um durchschnittlich 12 % zu. Ähnliche Beobachtungen wurden auch in den am wenigsten betroffenen Schleimhäuten der verschiedenen Segmente gemacht.

Ozanimod begrenzt die Migration von Lymphozyten

Ozanimod gehört wie Fingolimod, das 2011 für die Multiple Sklerose zugelassen wurde, zu einer neuen Gruppe von Immunmodulatoren, die Prof. Arthur Kaser (Addenbrooke’s Hospital, Universität Cambridge) vorstellte. Beide sind Agonisten am Sphingosin-1-Phosphat Rezeptor Subtyp 1, einem Signalmolekül, das die Verteilung von Lymphozyten im Körper steuert. Sie begrenzen die Migration von Lymphozyten, die in den Lymphknoten festgehalten werden und somit keine Entzündungen mehr verursachen können.

In einer Phase-2-Studie (TOUCHSTONE), wurden 197 Patienten mit moderater bis schwerer Colitis ulcerosa auf drei Arme randomisiert, in denen sie täglich mit Ozanimod 1 mg/die oder 0,5 mg/die oder Placebo behandelt wurden [3]. Nach 32 Wochen kam es bei 57 % bzw. 54 % (in der niedrigeren Dosierung) zu einer deutlichen klinischen Verbesserung. "Für den Morbus Crohn gibt es bisher keine Daten. Und eine endgültige Beurteilung von Ozanimod bei Colitis ulcerosa kann erst nach einer Phase-3-Studie erfolgen", betonte Kaser abschließend.

Referenzen:

1) Sandborn WJ et al, (2016), Efficacy and safety of oral tofacitinib as induction therapy in patients with moderate-to-severe ulcerative colitis: results from 2 phase 3 randomised controlles trials, J Crohn Colitis, 10: S15

2) esanum berichtete bereits: https://www.esanum.de/today/posts/was-gibt-es-neues-bei-chronisch-entzundlichen-darmkrankheiten; Vermeire et al., Lancet 2017: http://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(16)32537-5.pdf

3) Sandborn, W.J. et al, N Engl J Med 2016; 374:1754-1762; http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1513248