Jeden Tag werden weltweit eine Million neue Fälle von sexuell übertragbaren Erkrankungen (STI) akquiriert und pro Jahr infizieren sich 357 Millionen Menschen mit Chlamydien, Gonokokken, Treponema pallidum oder Trichomonaden als den häufigsten Erregern. Auch in Deutschland steigen die STI weiter an, was vor allem Männer mit sexuellen Kontakten zu Männern betrifft.
Dr. Klaus Jansen vom Robert-Koch-Institut stellte die neuesten Zahlen des RKI zu der Entwicklung der meldepflichtigen STI in Deutschland vor. Seit 2011 ist die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland auf zuletzt 3.674 Neuinfektionen im Jahr 2015 angestiegen - erst in den letzten eineinhalb Jahren gehen die Zahlen wieder etwas zurück. Nach wie vor sind „Männer, die Sex mit Männern haben“ (MSM) haben am häufigsten betroffen – in jüngster Zeit sind aber die Infektionsraten bei Heterosexuellen stärker angestiegen als bei MSM. Dies sei vor allem auf das Screening von Flüchtlingen aus Hochprävalenz-Ländern zurückzuführen, sagte der Experte.
Ehrgeiziges Ziel der WHO ist, dass 90% der HIV-Infizierten diagnostiziert, 90% behandelt werden und 90% unterdrückte Virustiter haben. In Deutschland waren 2014 von den geschätzten 83.400 HIV-Infizierten 70.100 diagnostiziert, 57.600 standen unter einer antiretroviralen Therapie (ART) die bei 54.100 Patienten erfolgreich war. Trotzdem könnte der leichte Rückgang der Neuinfektionen durch die effektive Unterdrückung der Viruslast und das dadurch reduzierte Übertragungsrisiko (Treatment as Prevention) bedingt sein, so der Experte.
Bei der Syphilis ist bei Männern anders als bei HIV der Trend nach oben ungebrochen. Mit Ausnahmen von unter 20-Jährigen und über 60-Jährigen sind hier alle Altersgruppen gleichermaßen betroffen. Berlin hat mit einer Rate von 35 auf 100.000 Einwohner (BRD insgesamt 8,7/100.000) mit Abstand die höchste Rat, gefolgt von den Stadtstaaten Hamburg und Bremen.
Für die Gonorrhoe besteht nur in Sachsen eine Meldepflicht, auch hier ist ein stetiger Anstieg zu verzeichnen. Bedrohlich sind hier vor allem die zunehmenden Resistenzraten. Längst können Penicillin und Ciprofloxacin wegen hoher Resistenzraten nicht mehr eingesetzt werden und Ceftriaxon sollte aufgrund der Resistenzgefahr mit Azithromycin kombiniert werden. Auch erste multiresistente Gonokokken wurden bereits beobachtet.
Prof. Dr. Helmut Schöfer von der Universitätshautklinik Frankfurt am Main wies auf die Bedeutung von Mundschleimhautveränderungen im Zusammenhang mit den STI hin. Gonorrhoe, Chlamydieninfektionen, Syphilis in allen Stadien, Herpesviren-, HPV- HIV- und Candida-Infektionen können sich auch im Mund manifestieren. Bei entsprechenden Veränderungen sollte dies immer schon früh in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. Das Übertragungsrisiko bei sexuellen Kontakten ist groß: Oralverkehr ist nach Umfragen mindestens genauso verbreitet wie genitaler Verkehr und der Schutz durch Kondome wird hierbei oft vernachlässigt. Problematisch sind vor allem asymptomatische Überträger, wie man sie z.B. bei oraler Gonorrhoe, oropharyngealen Chlamydieninfektionen und Syphilis findet.
Im Prinzip durch eine Impfung vermeidbar wären orale HPV-Infektionen wie z. B. orale Kondylome oder Stimmband- und Larynx-Papillome, aus denen sich auch Larynx-, Tonsillen und Zungenkarzinome entwickeln können.
Nachdem frühe Versuche mit Impfungen gegen Chlamydieninfektionen gescheitert sind, hat man zumindest im Tierversuch jetzt neue Ansätze für die Entwicklung eines effektiven Impfstoffes gegen die auch in der Allgemeinbevölkerung weit verbreiteten Chlamydieninfektion gefunden, erklärte Dr. Georg Stary von der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien.
Quelle: 49. DDG-Tagung, Track Infektiologie: Die neue Herausforderung STI 2017, 27. 4. 2017, Berlin