Welche Art medizinischer Versorgung ist für welchen Patienten die geeignetste? In welchen Fällen profitieren Patienten von einer starken Hausarztrolle? Und welche Parameter sind für die Gestaltung einer ausgewogenen medizinischen Langzeitversorgung entscheidend?
Um die komplexe Struktur der Inanspruchnahme des Gesundheitswesens abzubilden, haben Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Bergen in Norwegen ein Model entwickelt, das es ermöglicht, die Langzeitversorgung von Patienten besser zu erforschen und anzupassen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift PlosOne publiziert.
Um ein Gesundheitssystem adäquat beschreiben und seine bestimmenden Dynamiken verstehen zu können, ist die genaue Kenntnis über die Art und Weise, wie dieses System durch seine Bürger genutzt wird, maßgeblich. Existierende Analysen untersuchen dabei beispielsweise, inwieweit sich sozio-ökonomische und regionale Unterschiede oder Divergenzen in der Bildung auf die Nutzung des Gesundheitssystems auswirken. Ergebnisse solcher Untersuchungen liefern dann wichtige Hinweise für die Planbarkeit der Versorgung von Patienten.
Ausgangspunkt der vergleichenden qualitativen deutsch-norwegischen Studie, die die Wissenschaftler um Dr. Wolfram Herrmann vom Institut für Allgemeinmedizin der Charité durchführten, war die Feststellung, dass Patienten in Deutschland viel häufiger zum Arzt gehen als in anderen europäischen Ländern, ohne dabei gesünder zu sein oder älter zu werden. "Die durchschnittliche Anzahl der Kontakte zwischen Arzt und Patient hat nicht genügend Aussagekraft, um die Komplexität der Versorgung abzubilden", erklärt Dr. Herrmann. "Unsere Fragestellung war deshalb, ob es nicht ein besseres Modell zur Beschreibung der Inanspruchnahme eines Gesundheitssystems gäbe", fügt er hinzu. Unter anderem in Interviews und Beobachtungen in Hausarztpraxen in Deutschland und Norwegen fanden die Wissenschaftler, dass Konsultationen in der Hausarztpraxis meist kein konkreter Anlass zugrunde liegt, sondern verschiedene Themen angesprochen werden.
"Der einzelne Besuch beim Hausarzt oder der Hausärztin steht nicht für sich allein, sondern ist Teil einer Sequenz von Arztbesuchen", betont Dr. Herrmann. "Außerdem fanden wir, dass sich zwischen den Gesundheitssystemen unterscheidet, wer an der Versorgung von Patienten beteiligt ist und wie die Informationen zwischen diesen Versorgern ausgetauscht werden", fügt er hinzu. So gibt es in Norwegen beispielsweise kaum niedergelassene Spezialisten und Überweisungen werden auf elektronischem Weg vom behandelnden Hausarzt zu einem meist in einer Krankenhausambulanz tätigen Spezialisten versandt, der dann die Patienten einbestellt. Arztbriefe werden entsprechend auch in elektronischer Form zurück an den Hausarzt gesandt.
Aus den gewonnenen Daten entwickelten die Forscher ein Modell zur Beschreibung der Langzeitversorgung. Dabei werden die Kontakte eines Patienten und der Informationsfluss zwischen den Kontakten über die Zeit abgebildet. Dieses Modell soll helfen zu erforschen, welche Form der Langzeitversorgung für welche Patienten am besten ist und damit dazu beitragen, künftig die Langzeitversorgung von Patienten zu verbessern.