Nicht nur in der Arbeitswelt und in der Schule befördert die Corona-Pandemie die Digitalisierung. Auch die niedergelassene Ärzteschaft in Niedersachsen chattet vermehrt mit PatientInnen. Die TK hat dazu eine eigene App, die AOK verteilt Tablets an Pflegeheime.
Online-Termin statt Praxisbesuch: Immer mehr niedergelassene ÄrztInnen in Niedersachsen behandeln ihre PatientInnen per Video-Sprechstunde. Wegen der Corona-Pandemie müssen die MedizinerInnen bundesweit seit dem 1. April hierfür keinen Antrag mehr stellen, sondern die Video-Sprechstunden lediglich anzeigen. Dies machten bis zum 15. Juni in Niedersachsen 2.276 ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen, wie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) mitteilte. Damit nutzten 15 Prozent der KVN-Mitglieder die Video-Sprechstunde.
Auch Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse (TK) und AOK berichten von einer wachsenden Akzeptanz der Telemedizin. Sie habe ihr digitales Angebot erweitert und biete allen Versicherten eine Behandlung von zu Hause aus an, erklärte die TK Niedersachsen. In der Online-Sprechstunde könnten auch Medikamente verordnet oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden.
Die Corona-Pandemie befördert digitale Angebote: "Die Videosprechstunde kann die Verbreitung des Virus verlangsamen und schützt andere Patientinnen und Patienten – insbesondere chronisch und ernsthaft Erkrankte – und das medizinische Personal vor einem unnötigen Infektionsrisiko", sagte KVN-Sprecher Detlef Haffke.
Im ersten Quartal dieses Jahres rechneten laut KVN landesweit 2.111 ÄrztInnen 13.809 Video-Sprechstunden ab. "Für das zweite Quartal, das wir erst Ende Juli auswerten können, erwarten wir eine weitere Steigerung", sagte Haffke. In den letzten drei Monaten 2019 hatten dagegen nur 75 ÄrztInnen 88 Video-Sprechstunden abgerechnet. Vor dem 1. April waren die Behandlungsfälle per Video auf die Obergrenze von 20 Prozent pro Kassenarzt begrenzt, diese Begrenzung wurde zunächst bis zum 30. Juni aufgehoben.
Die Techniker Krankenkasse hat eine eigene TK-Doc-App, über die FachärztInnen Versicherte per Videotelefonie behandeln. Das Spektrum umfasse acht Krankheitsbilder, hieß es: von der Erkältung über Magen-Darm-Infekte und Migräne bis hin zu Rückenschmerzen und COVID-n19-Symptomen. Gesucht würden noch weitere Arztpraxen und Apotheken als Partner. "Unser Versorgungsnetz soll keine Konkurrenz für andere Apotheken oder Ärzte sein", betonte Raphael Koßmann, Leiter Regionales Vertragswesen der TK in Niedersachsen.
"Videosprechstunden sind allerdings nicht für alle Erkrankungen und alle Patienten gleichermaßen geeignet", erklärte die AOK Niedersachsen. Sie böten sich vor allem an, wenn medizinisch ausgebildetes Personal zum Beispiel eine Pflegekraft oder Arzthelferin vor Ort seien. In der Psychotherapie ließen sie sich einfacher integrieren als in anderen Fachrichtungen. Die AOK hat vor Kurzem gemeinsam mit dem niedersächsischen Sozialministerium das Projekt "Video-Sprechstunden im Pflegeheim" vorgestellt. Nach und nach sollen die rund 1.400 Heime im Land mit Tablets ausgestattet werden, damit BewohnerInnen mit Ärzteschaft und Angehörigen per Video in Kontakt bleiben können.