Die Notfallreform ist Bestandteil einer grundlegenden Erneuerung der Krankenhausstrukturen, zu der als Kernstücke eine neue Finanzierungs- und Planungssystematik sowie die Reform des Rettungsdienstes gehören. Das Krankenhausgesetz selbst soll unmittelbar nach der Sommerpause am 21. August im Kabinett beraten und beschlossen werden, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwoch unmittelbar nach der Kabinettssitzung an. Zur Runderneuerung der medizinischen Versorgung seien bereits 15 Gesetze verabschiedet worden, mindestens weitere 15 sollen noch folgen.
Die jetzt beschlossene Notfallversorgung soll dazu führen, dass Hilfesuchende im Akut- und Notfallfall schneller eine notwendige Behandlung erhalten. Vor allem sollen dabei die Notaufnahmen der Krankenhäuser, die derzeit häufig unnötig in Anspruch genommen werden, entlastet werden; außerdem sollen unnötige Hospitalisierungen vermieden werden. Dabei soll bundesweit eine homogen hohe Qualität erreicht werden, mit der zugleich angesichts wachsenden Fachkräftemangels Effizienzverbesserungen realisiert werden können.
Dazu sollen künftig akute Fälle nicht mehr von den Terminservicestellen vermittelt werden, sondern ebenfalls unter der Rufnummer 116 117 werden auch Akutleitstellen eingerichtet, die 24/7 verfügbar sind. Diese Akutleitstellen beurteilen die Behandlungsdringlichkeit und Schwere anhand eines standardisierten Ersteinschätzungsverfahrens und vermitteln Hilfesuchende in die passende Behandlung.
112 und 116 117 werden künftig digital vernetzt. Erfordert ein unter der 116 117 anrufender Hilfesuchender einen Rettungsdiensteinsatz, so leitet die Akutleitstelle den Fall sofort medienbruchfrei an die Rettungsleitstelle weiter. Im Gegenzug werden Rettungsleitstellen, die unter 112 angerufen werden, Hilfesuchende, die keinen Rettungseinsatz benötigen, an eine Akutleitstelle weiterleiten
Akutleitstellen werden ferner flächendeckend und rund um die Uhr einen telemedizinischen und aufsuchenden Notdienst einrichten, der mit Allgemeinärzten und Pädiatern besetzt ist. Dabei muss vor allem auch die Versorgung immobiler Patienten sichergestellt werden. Dazu wird der Sicherstellungsauftrag der KVen konkretisiert. Sie müssen verpflichtend die notwendigen Vereinbarungen mit Ärzten treffen.
An geeigneten Krankenhausstandorten sollen flächendeckend Integrierte Notfallzentren (INZ) für die medizinische Erstversorgung etabliert werden. Sie arbeiten rund um die Uhr. Sie vereinigen die bisherigen Notaufnahmen der Krankenhäuser, die Notdienstpraxen der KVen und eine zentrale Einschätzungsstelle zur Feststellung von Schwere und Dringlichkeit. In der Nähe des INZ liegende Praxen sollen als Kooperationspartner angebunden werden und die notwendige ambulante Weiterbehandlung sicherstellen. Die gemeinsame Ersteinschätzung steuert Hilfesuchende auf Basis eines standardisierten Verfahrens in die passende Versorgungsebene. Zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen können Kinder-INZ errichtet werden. Obligatorisch ist am INZ mindestens die Vorhaltung einer telemedizinischen Unterstützung durch Pädiater.
Die Standorte von INZ legen die Partner der Selbstverwaltung aufgrund gesetzlicher Kriterien im erweiterten Landesausschuss fest. Die Finanzierung erfolgt paritätisch zwischen KVen und GKV. Die private Krankenversicherung muss sich mit sieben Prozent des GKV-Budgets beteiligen.
Die Versorgung von Patienten mit Notfallmedikamenten und apothekenpflichtigen Medizinprodukten soll in Versorgungsverträgen mit öffentlichen Apotheken vereinbart werden.
Im Moment in Arbeit ist noch die Reform des Rettungsdienstes. Beide Gesetze sollen jedoch nach der Sommerpause gemeinsam parlamentarisch beraten werden. Der Rettungsdienst soll eigenständiger Leistungsbereich im SGB V werden, sich mit den Akutleitstellen digital vernetzen und bundesweit gleiche Mindeststandards gewährleisten.
Mit dem Ausbau der gematik zur Gesundheitsdigital-Agentur sollen deren Befugnisse erheblich erweitert werden. Damit soll erreicht werden, dass Hard- und Software, die Ärzte und Kliniken verwenden, dauerhaft funktionstüchtig, anwenderfreundlich, störungsfrei und sicher arbeiten. Gerade die mangelhafte Qualität, fehlende Nutzerfreundlichkeit und Störanfälligkeit hat zu einer massiven Verärgerung insbesondere der Vertragsärzte geführt.
Dazu beschafft die Agentur wesentliche Komponenten und Dienste der Telematikinfrastruktur zentral per Vergabeverfahren und stellt diese den Leistungserbringern zur Verfügung. Komponenten und Dienste, die zentral und nur einmalig vorhanden sind, können von der Agentur selbst entwickelt und betrieben werden.
Die Agentur hat das Mandat, im Interesse der unverzüglichen Störungsbeseitigung Informationen von Herstellern anzufordern und die Beteiligten zu verpflichten, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Die Agentur kann aber auch selbst tätig werden und von den Herstellern Kostenerstattung verlangen.
Die Agentur erhält hoheitliche Aufgaben für die Zulassung und Zertifizierung sowie Anordnungen zur Gefahrenabwehr innerhalb der Telematikinfrastruktur. Dazu werden auch Bußgeldtatbestände erweitert.
Die Aufgaben des Kompetenzzentrums für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) werden erweitert: Es wird künftig qualitative und quantitative Anforderungen an informationstechnische Systeme wie etwa für die Praxisverwaltungssysteme der Ärzte festlegen. Neben Funktionalität und Interoperabilität müssen diese Systeme einen Mehrwert für die Versorgung bieten. Insgesamt soll dies dazu führen, dass die Akzeptanz für die Digitalisierung im Gesundheitswesen steigt und ihre Möglichkeiten in der Praxis besser genutzt werden.
Mit der Änderung des Transplantationsgesetzes werden künftig auch zwischen zwei unterschiedlichen Paaren Nierenspenden möglich sein. Das Ziel ist, den chronischen Organmangel in Deutschland zu mildern und das "Sterben auf der Warteliste" zu beenden, wie Karl Lauterbach sagte. Langfristig werde allerdings die Widerspruchslösung gebraucht.
Die Regelungen des Gesetzes im Einzelnen:
Mit dem Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit soll vor allem die Vorsorge und Früherkennung von Krebs- und Herzkrankheiten intensiviert werden, bei der sich Deutschland international auf den hinteren Plätzen bewege, beklagte Lauterbach. Dazu wird das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) als eigenständige Bundesoberbehörde erreichtet. Im BIPAM gehen die Aufgaben der bisherigen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit seinen 334 Beschäftigten auf; ferner werden aus dem Robert Koch-Institut 180 Beschäftigte, die sich bislang mit Epidemiologie und nicht übertragbare Krankheiten beschäftigten an das BIPAM wechseln. Das Institut hat seinen Hauptsitz in Köln mit einer Nebenstelle in Berlin.
Die Aufgaben im Einzelnen: