In der Onkologie herrschen spannende Zeiten: Mit der Immuntherapie hält seit einigen Jahren ein neues Verfahren Einzug in die Krebstherapie, das das Immunsystem – anders als die Chemotherapie – gezielt unterstützt, statt es ungewollt zu schwächen.
Kinasehemmer nur bei Minderheit der NSCLC-Patienten anwendbar
Die pneumologische Onkologie ist bei dieser Entwicklung vorne mit dabei. So kommen in der Erstlinienbehandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkrebses (NSCLC) statt einer konventionellen Chemotherapie immer häufiger Kinasehemmer zum Einsatz. Zur Auswahl stehen Crizotinib, Gefitinib, Erlotinib und Afatinib.
Allerdings ist der Einsatz der Kinasehemmer nur auf bestimmte Patienten beschränkt. Gefitinib, Erlotinib und Afatinib nützen nur jenem Teil der Patienten, die Mutationen im epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) aufweisen. Das ist bei 15% der NSCLC-Patienten der Fall.
Eine Behandlung mit Crizotinib ist in zwei Fällen möglich:
Angesichts dieser Minderheitenverhältnisse stellt die platinbasierte Chemotherapie immer noch die häufigste Behandlungsoption dar.
Tumorzellen mit PD-L1-Expression bei einem Drittel der NSCLC-Patienten
Das könnte sich mit den neu entwickelten „Checkpoint-Inhibitoren“ möglicherweise ändern, von denen jetzt vielfach die Rede ist. Mit diesen Antikörpern werden quasi die „Bremsen“ im Immunsystem gelöst, die im Normalzustand eine Überfunktion des Immunsystems gegen gesunde Zellen verhindern. Manche Krebsarten aktivieren gezielt solche Kontrollpunkte („Immun-Checkpoints“), um über hemmende Signale an den T-Zellen die Immunabwehr zu schwächen und ihr zu entkommen. Dazu exprimieren manche Krebsformen den Liganden PD L1, der an den PD-1-Rezeptor auf T-Zellen bindet.
Die neuen PD-1-Inhibitoren richten sich gegen diese Tumor-Strategie: Sie verhindern die molekulare Immunsuppression und machen den Krebs für das Immunsystem verstärkt angreifbar.
Erster zugelassener Checkpoint-Inhibitor beim metastasierten NSCLC: Nivolumab
Bereits im März des vergangenen Jahres wurde in den USA der Checkpoint-PD-1-Blocker Nivolumab von der FDA zugelassen1. Anwendungsgebiet ist die Behandlung des metastasierten NSCLC bei Patienten, bei denen das Tumorleiden während oder nach einer Platin-basierten Chemotherapie voranschreitet. In der Zulassungsstudie konnte Nivolumab diesen todkranken Patienten durchschnittlich mehrere Monate zusätzliche Lebenszeit verschaffen.
Pembrolizumab mit Vorteilen gegenüber der platinbasierten Chemotherapie
Mit Pembrolizumab gibt es nun einen weiteren solchen Checkpoint-Inhibitor. Auf der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology in Kopenhagen wurde eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte randomisierte Studie2 mit Pembrolizumab vorgestellt. Der Antikörper hat erstmals in einer Erstlinientherapie bei NSCLC-Patienten bessere Therapieergebnisse erzielt als eine Chemotherapie.
305 Patienten im Stadium IV des NSCLC ohne EGFR- oder ALK-Expression erhielten entweder Pembrolizumab (200 mg alle drei Wochen) oder 4-6 Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie. Als primärer Endpunkt wurde das progressionsfreie Überleben gewählt. Unter der Immuntherapie betrug dieses im Schnitt gut 10 Monate gegenüber 6 Monaten unter Chemo. Der Anteil der Patienten, die nach 6 Monaten noch am Leben waren, lag bei etwa 80% versus 72%. Die Ansprechrate war in der Pembrolizumab-Gruppe (45% vs. 28%) ebenfalls höher und die mittlere Remissionsdauer länger. Auch bei der Verträglichkeit zeigten sich Vorteile für die Immuntherapie: Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder höher kamen hier nur halb so häufig vor wie unter der Chemotherapie (27% vs. 53%).
Ist die Kombination von Immun- und Chemotherapie sinnvoll?
Ob die Immun- mit der Chemotherapie sinnvoll kombiniert werden kann, untersuchte eine Phase-2-Studie3, die ebenfalls bei diesem Onkologie-Kongress vorgestellt wurde. Für die 123 Patienten galten ähnliche Einschlusskriterien: fortgeschrittenes NSCLC (Stadium IIB oder IV), keine EGFR- oder ALK-Expression im Tumorgewebe. Eine PD-L1-Expression wurde allerdings nicht gefordert.
Alle Patienten wurden mit Carboplatin plus Pemetrexed zytostatisch therapiert und die Hälfte von ihnen zusätzlich mit Pembrolizumab behandelt. Beim progressionsfreien Überleben gab es für die Gruppe mit additiver Immuntherapie mit 13 vs. 9 Monate einen Vorteil. Für eine Überlegenheit beim Gesamtüberleben reichte möglicherweise die Beobachtungszeit nicht aus: In beiden Studienarmen waren nach 6 Monaten noch 92% der Patienten am Leben, nach 12 Monaten waren es 75% vs. 72% für die Chemo mit bzw. ohne Pembrolizumab.
Ein Nachteil war die höhere Toxizität der kombinierten Therapie: Der Anteil der Patienten mit Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher lag bei 39% vs. 26%. Häufigere Therapieabbrüche oder therapiebedingte Todesfälle waren aber nicht zu verzeichnen. Die Nebenwirkungsliste wurde angeführt von Müdigkeit (64% vs. 40%), Übelkeit (58% vs. 44%) und Anämie (32% vs. 54%).
Eine Phase-3-Studie ist auch schon am Laufen: Sie soll Erkenntnisse liefern, inwieweit die Kombination nun tatsächlich sinnvoll ist.
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