Im Herbst 2019 stieg in den USA die Zahl der Toten in Zusammenhang mit E-Zigaretten rasant an. Fachleute waren besorgt, der Verkauf wurde beschränkt. Ein Jahr nach dem ersten Fall sinken die Zahlen, aber die Krise ist noch nicht vorbei.
Fast jede Woche musste die US-Gesundheitsbehörde CDC im vergangenen Herbst steigende Zahlen verkünden. Über den Sommer hinweg waren nur ein paar Dutzend Fälle bekannt geworden, bei denen Menschen wegen Gesundheitsschäden nach dem Gebrauch von E-Zigaretten ins Krankenhaus gekommen waren. Doch dann kletterten die Zahlen immer weiter nach oben und schließlich wurden Todesfälle bekannt. "Zutiefst besorgniserregend" sei das alles, sagte CDC-Direktor Robert Redfield und US-Präsident Donald Trump bezeichnete das Vaping (Dampfen von E-Zigaretten) als "großes Problem".
Der erste Fall im Krankenhaus wurde dem CDC am Dienstag (31. März) vor genau einem Jahr gemeldet, auch wenn es wahrscheinlich sei, dass es vorher schon Fälle gegeben habe, wie die Behörde mitteilt. Seitdem kamen mehr als 2.800 weitere registrierte Erkrankte hinzu, rund 70 Menschen starben. Erkrankte erleben meist Husten, Atemnot und Schmerzen im Brustkorb, oft auch Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit, Schwindel und Fieber, manchmal auch entzündete Lungen. Bei einigen Betroffenen führte Lungenversagen zum Tod. Die Fallzahlen nehmen seit Ende September weitgehend stabil ab - vorbei ist die Krise in den USA aber noch lange nicht.
Die Ursache der Gesundheitsschäden in den USA konnte bislang noch nicht sicher ermittelt werden. Den bisherigen Forschungen der CDC zufolge stellt sehr wahrscheinlich Vitamin-E-Acetat die Hauptursache dar. Es wurde in den USA als Zusatzstoff in THC-haltigen Liquids verwendet. Andere Chemikalien könnten aber auch dazu beitragen.
Als Reaktion auf die Fälle beschränkte die US-Regierung Anfang des Jahres den Verkauf von E-Zigaretten mit Geschmacksrichtungen, die besonders Jugendliche ansprechen - wie etwa Frucht oder Minze. Das Mindestalter zum Kauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten wurde von 18 auf 21 Jahre angehoben. Der umstrittene Anbieter Juul Labs war dem schon zuvor gekommen und hatte den Verkauf von aromatisierten E-Zigaretten mit Fruchtgeschmack in den USA bereits eingeschränkt.
Die neuen Regelungen der US-Regierung ließen allerdings "Schlupflöcher" offen, die zahlreiche Anbieter längst zur Entwicklung neuer Produkte genutzt hätten, und viele Jugendliche würden weiter vapen, sagte Matt Myers von der Aktivistengruppe Campaign for Tobacco-Free Kids jüngst dem Radiosender NPR. Die Gesundheitsbehörde CDC rät weitgehend vom Vaping ab, für Jugendliche sogar grundsätzlich.
Zudem kommt nun eine weitere Sorge: Menschen, deren Lungen durch Vaping geschädigt wurden, könnten ersten Indizien zufolge anfälliger für eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus sein. So war beispielsweise einer der ersten Coronavirus-Fälle in der Millionenmetropole New York ein 22 Jahre alter Mann. "Warum ist ein 22-Jähriger zu diesem Zeitpunkt stabil, aber im Krankenhaus? Der einzige Faktor, den wir kennen, ist, dass er ein Vaper ist", kommentierte Bürgermeister Bill de Blasio. "Wir wissen nicht, ob er sonst noch irgendwelche Vorerkrankungen hat, aber wir glauben, dass der Fakt, dass er Vaper ist, diese Situation beeinflusst."
Nach Auskunft von Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, spricht vieles dafür, dass zumindest Rauchende gewöhnlicher Zigaretten ein erhöhtes Risiko für Corona-Infektionen haben. "Raucher haben grundsätzlich ein höheres Risiko, Virusinfektionen zu erleiden." Auch wenn es beim Coronavirus noch nicht nachgewiesen sei, schränke Rauchen die Abwehrkräfte des Bronchialsystems generell ein. Daten aus Wuhan gäben zudem zumindest einen Hinweis darauf, dass das Risiko eines schweren Corona-Verlaufs mit einer echten Lungenentzündung bei Rauchenden deutlich höher ist.
Andere Fachleute verweisen darauf, dass bei Vaperinnen und Vapern zwar noch viel zu wenig über den Einfluss auf Corona-Infektionen bekannt sei. "Aber alles, was die Lungen schädigt, vergrößert das Risiko, anfällig zu sein", sagte die New Yorker Kardiologin Tara Narula dem TV-Sender CBS. "Wenn es nicht schon immer Gründe gegeben hat, aufzuhören - hier ist noch einer."