SchlaganfallpatientInnen brauchen auch vor und nach einer Intervention ein optimales (Notfall-)Management, denn pro Minute Gefäßverschluss sterben etwa zwei Millionen Hirnzellen ab.
Der Schlaganfall ist in Deutschland die dritthäufigste Todesursache und der Hauptgrund für Behinderungen im Erwachsenenalter. 85% aller Schlaganfälle liegt ein ischämischer Insult (Hirninfarkt) zugrunde. Dabei kommt es durch eine Thrombose oder Embolie zum Verschluss von Hirnarterien.
Die Akuttherapie des schweren Schlaganfalls hat sich in den vergangenen fünf Jahren massiv verändert. Die Thrombektomie, also die katheterbasierte Wiedereröffnung eines großen, verschlossenen Hirngefäßes, hat für tausende von PatientInnen Behandlungszeiten, -situationen und vor allem -ergebnisse gebracht, die deutlich über die vorherige alleinige Therapiemöglichkeit der intravenösen Thrombolyse hinausgehen.
Zum 37. Mal findet vom 30. Januar bis 1. Februar 2020 die ANIM – Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin als gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) statt. Folgende Schwerpunktthemen sind geplant: Intrakranielle Blutungen (ICB), zerebrale Ischämie und Intensivmedizin (u.a. mechanische Thrombektomie), klinische Studien, Neuro-Notfallmedizin in der Zentralen Notaufnahme, Aus- und Weiterbildung sowie Strukturen in der NeuroIntensiv- und Notfallmedizin. Drei Tage lang treffen sich in der Gartenhalle in Karlsruhe über 1.300 ÄrztInnen und Pflegefachkräfte zu einem umfassenden Update im Bereich der neurologischen und neurochirurgischen Intensivmedizin und Notfallmedizin.
"Weil die komplexe Prozedur der Thrombektomie ein interdisziplinäres Team aus Neurologen, Neuroradiologen, Anästhesisten, Intensivmedizinern, Notärzten, Pflegekräften, Therapeuten usw. erfordert, und weil es um PatientInnen geht, die in Sekunden von schwerer Behinderung oder Tod bedroht sind, nehmen wir dieses Thema sehr ernst und platzieren es folgerichtig auf genau diesem Kongress“, erklärte Prof. Dr. med. Julian Bösel, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Kassel, die Relevanz.
Neurointensiv- und Notfallmedizin ist Medizin für akute, schwere Hirnerkrankungen, die auch schnell von körperlichen Komplikationen (z.B. der Atmung und Herz-/Kreislauffunktion) begleitet werden können. Die Vorbereitung, Stabilisierung, medikamentöse Behandlung, das Monitoring, das Atemwegsmanagement, ggf. Narkose und Beatmung, die Ausleitung und auch die Nachbehandlung von PatientInnen mit schwerem Schlaganfall im Rahmen der Thrombektomie wird als peri-interventionelles Management zusammengefasst. So wie der Kathetereingriff im Hirngefäß selbst beeinflusst auch dieses "Drumherum“ das Behandlungsergebnis.
Von großer Bedeutung ist, dass interdisziplinäre Teams mit klaren Rollenverteilungen nach bestimmten Zeitvorgaben arbeiten, denn beim ischämischen Schlaganfall gilt immer noch "Time is brain": Pro Minute Gefäßverschluss sterben etwa zwei Millionen Hirnzellen ab. Transport, Kommunikation, Örtlichkeiten, Ausstattung und Aufgaben müssen von vornherein geregelt sein, am besten in Form sogenannter Standard Operating Procedures (SOP).
Lange herrschte eine kontroverse Diskussion vor, weil viele retrospektive Studien mit methodischen Schwächen nahegelegt hatten, dass die Intubationsnarkose für den Thrombektomiepatienten nachteilig sei. "Dies konnte durch drei unabhängige randomisierte Studien zum Vergleich dieser Sedierungsarten, deren Daten kürzlich zusammenfassend in einer Meta-Analyse betrachtet wurden, nicht bestätigt werden. Unter Protokollanwendung mit bestimmten Zielwerten (z.B. für den Blutdruck) und in den Händen von erfahrenen Neuro-Anästhesie-Teams scheint das funktionelle Ergebnis bei Intubationsnarkose sogar besser zu sein“, so Julian Bösel. Das liege vermutlich u.a. daran, dass der Neuroradiologe den Katheter beim narkotisierten PatientInnen erfolgreicher einsetzen könne.
Oftmals haben SchlaganfallpatientInnen erhöhten Blutdruck, der nicht zu schnell gesenkt werden darf, da sonst die Durchblutung des Gehirns weiter eingeschränkt würde. Der starke Abfall oder die Schwankung des Blutdrucks zum Ausgangswert vor der Wiedereröffnung des Gefäßes waren in mehreren Studien mit einer stärkeren Behinderung für PatientInnen verbunden. "Nach erfolgreicher Gefäßeröffnung darf der Blutdruck abfallen, vermutlich sollte man ihn sogar leicht senken, um einen zu starken Einstrom von Blut ins geschädigte Gewebe und Einblutung in das Infarktgebiet zu vermeiden", so Bösel abschließend.