In der Welt der Hörenden sind Gehörlose fast immer auf sich gestellt und bestreiten ihren Alltag häufig gesellschaftlich isoliert. Die Isolation erstreckt sich auch auf Krankenhäuser, sind dies doch nach wie vor Orte, die in der Regel nicht an die besonderen Bedürfnisse gehörloser Menschen angepasst sind. Bei einer unheilbaren schweren Krankheit bleibt dennoch oft nur noch der Weg der palliativen Betreuung – einer schmerz- und symptomlindernden, aber nicht mehr lebensverlängernden Versorgung der PatientInnen. Dieser letzte Lebensabschnitt bleibt ein Weg der Isolation: Die wenigsten Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege beherrschen die Gebärdensprache oder sind geschult im Umgang mit gehörlosen Menschen.
An dieser Stelle stößt die Palliativmedizin heute definitiv noch an ihre Grenzen. Erfahrungsgemäß spielt aber gerade in dieser existenziell bedrohlichen Lebensphase neben der medizinischen Versorgung die Kommunikation und die seelisch-emotionale Unterstützung bei unheilbar kranken Menschen eine große Rolle.
Mit dem Ziel, die grundlegende Palliativversorgung gehörloser Menschen zu verbessern, startete nun an der Hochschule Landshut das Forschungsprojekt Deaf Pal – Kommunikation in der Palliativversorgung gehörloser Menschen unter Leitung von Prof. Dr. Uta Benner, in enger Zusammenarbeit mit Oberarzt Wolfgang Sandtner, ärztlicher Leiter der Palliativstation am Krankenhaus Landshut-Achdorf. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert dieses Projekt mit 250.000 Euro.
"Mit Deaf Pal machen wir einen großen Schritt, um die Situation gehörloser Menschen weiter zu verbessern und die Sensibilität für das Thema Inklusion in der Gesellschaft zu erhöhen", so Benner. In mehreren Etappen erarbeitet ein Team der Hochschule Landshut zusammen mit dem Krankenhaus Landshut-Achdorf Konzepte für eine barriereärmere Palliativversorgung.
Dazu gehören Lösungsansätze für die allgemeine Aufklärungsarbeit bei gehörlosen Menschen und deren Angehörigen, Vorschläge für eine angepasste technische Infrastruktur und die Schulung des medizinischen Personals. "Konkret streben wir an, Materialien für gehörlose Menschen und Versorgende im Krankenhaus zu erarbeiten sowie ein Schulungsmodul (primär für medizinisches Fach- und Pflegepersonal) zu entwickeln", erläuterte Benner die ersten Ideen.
Gesellschaftspolitisch ist dieses Projekt brandaktuell. Jeder Mensch hat ein Anrecht auf "das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit", so heißt es im UN Sozialpakt, dem internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Aber gerade im Bereich Medizin sind die Hürden für Randgruppen, wie z.B. die Gehörlosen, nochmals höher. Es beginnt bei der telefonischen Vereinbarung von Terminen oder dem mündlichen Aufruf im Wartezimmer und reicht bis hin zum Arzt-Patientengespräch oder eben der palliativen Versorgung.
Für gehörlose Menschen sind diese Herausforderungen ohne Gebärdensprachdolmetscherinnen oder Gebärdensprachdolmetscher sowie Angehörige kaum zu meistern. "Und genau hier knüpft unser Projekt Deaf Pal an. Wir wollen miteinander daran arbeiten, dass im Bereich der Palliativmedizin auch Gehörlose auf ihrem letzten Lebensweg Beachtung finden und wir die Lebenssituation in diesem Stadium verbessern", so der Wunsch von Sandtner.
Beste Voraussetzungen, um dieses Projekt durchzuführen, hat hierbei die Hochschule Landshut. Sie ist eine von sieben Hochschulen und Universitäten in ganz Deutschland, die den Studiengang Gebärdendolmetschen anbieten.
"Mit Herrn Sandtner, der ärztlichen Leitung der Palliativstation des Krankenhaus Landshut-Achdorf haben wir noch dazu einen optimalen Partner gefunden, da er sich bereits seit 2013 mit dem Thema Inklusion auf Palliativstationen beschäftigt. Wir sind überzeugt, dass wir mit unseren gemeinsamen Ideen und Konzepten das Leben von gehörlosen Menschen in der palliativen Betreuung deutlich verbessern werden", so Benner abschließend.