Einfache Messmethoden und Patienten-basiertes Monitoring erleichtern die Umsetzung wichtiger Behandlungsziele in der täglichen Praxis und fördern Compliance und Therapiezufriedenheit.
Die zeitgemäße Behandlung der Colitis ulcerosa versteht sich nicht mehr als Symptom-Management, sondern verfolgt heute überwiegend die Intention der vollständigen Remission. Dabei ist es ein besonderes Anliegen, die gesteckten Ziele nicht nur zu erreichen, sondern sie auch über einen längeren Zeitraum zu erhalten.
Als Indikator für einen beständigen Therapieerfolg hat sich dabei neuerdings der Continous Clinical Response (CCR) herauskristallisiert. In der Erhaltungstherapiestudie PURSUIT-M zeigte sich hier ein eindeutiger Zusammenhang zwischen CCR und der Verbesserung von klinischem Outcome und Lebensqualität.1
In der randomisierten doppelblinden Phase-III-Studie mit 456 Patienten, in der die Wirksamkeit von Golimumab versus Placebo untersucht wurde, war dieser "kontinuierliche klinische Response" erstmals als primärer Endpunkt festgelegt. Er war definiert als ein über 54 Wochen anhaltendes Ansprechen ohne Therapieversagen, wobei die Krankheitsaktivität endoskopisch kontrolliert und zudem alle 4 Wochen mithilfe des partiellen Mayo-Scores beurteilt wurde.
Nahezu die Hälfte der Golimumab-Gruppe erreichte dieses Ziel und profitierte damit gleichzeitig meist von weiteren relevanten Verbesserungen wie einer Mukosaheilung, einer Remission, einem IBDQ-Score (Inflammatory Bowel Disease Questionnaire) von > 170 und/oder der Unabhängigkeit von Kortikosteroiden.1
Die Resultate belegten den positiven Effekt, den das stete Monitoring und das klare Ziel der langfristigen Krankheitskontrolle auf den Verlauf der Colitis ulcerosa und die Lebensführung der Betroffenen hatten. Gerade die regelmäßige Rückversicherung kann dabei sowohl Ärzten als auch Patienten Sicherheit geben, therapeutisch auf dem richtigen Weg zu sein.
Um dieses Konzept nicht nur im Studien-Setting, sondern auch in der täglichen Praxisroutine zu etablieren, bedarf es allerdings intuitiver und non-invasiver Methoden, in die nach Meinung vieler Experten auch die Selbstauskunft des Patienten vermehrt einfließen sollte.2
Als solch ein simples und Patienten-basiertes Instrument zur Eruierung des CCR wurde in mehreren Studien nun der PRO2 (patient reported outcome) identifiziert,3,4,5 wobei die "zwei" für die Anzahl der dort notwendigen Parameter steht. Unter der Vielzahl von Messverfahren, die für das Erfassen der Krankheitsaktivität bei Colitis ulcerosa zur Verfügung stehen, entpuppte sich PRO2 als besonders praktikabel – wohl auch, weil er bei vergleichbarer Validität nicht auf die invasiven bzw. labortechnischen Tests der anderen Scores angewiesen war, die alle auch ihre Limitationen haben (unklarer Nutzen, zeitverzögerte Auswertung, obligatorische Konsultation etc.).6,7
Der PRO2 wurde aus einer 6-Punkte-Skala des bewährten Mayo-Gesamtscores entwickelt und verlangt lediglich die Angabe der Stuhlfrequenz und des Vorhandenseins/Ausmaßes von rektalen Blutungen. In einer Erhebung von Reinisch et al. war PRO2 gleichwertig assoziiert mit dem kontinuierlichen klinischen Ansprechen wie der partielle Mayo-Score,4 wodurch die endoskopische Komponente dieses Tests für die tägliche Routine verzichtbar – und künftig lediglich zu Studienzwecken sinnvoll – wäre.
Auch im Rahmen der STRIDE-Empfehlungen (Selecting Therapeutic Targets in Inflammatory Bowel Disease) wurde der patient-related Outcome von einer internationalen Expertenrunde als nützliches Mittel für die Feststellung des CCR im Praxisalltag gewertet.8
Diese Einschätzung deckt sich übrigens mit der vormaligen Forderung der FDA (Food and Drug Administration), neben den bisherigen Messinstrumenten auch explizit Patienten-relevante Endpunkte in Studien zu verwenden9 – woraufhin die PROs überhaupt erst entwickelt wurden.
Eine Möglichkeit der digitalen Überwachung bieten darüber hinaus benutzerfreundliche Anwendungs-Kits zur Erfassung des fäkalen Biomarkers Calprotectin. In der privaten Atmosphäre des eigenen Zuhauses kann der CED-Patient dabei die Stuhlproben entnehmen, mithilfe des Sets selbst analysieren und die jeweiligen Werte über eine App im Smartphone an seinen Arzt senden.10 Bei Verschlechterung der Krankheitsaktivität kann rechtzeitig gehandelt werden, bei Stabilität spart man Zeit, Aufwand und damit Geld. In beiden Fällen bietet diese zuverlässige und für Patienten diskrete Art der Selbsttestung ein gutes Gefühl der Sicherheit und der Kontrolle.
Obwohl es sich bei den durch PRO2 und das Home-Kit erhobenen Parametern um reine Beobachtungs- bzw. Testwerte, und nicht etwa um individuell variable Wahrnehmungen handelt, haben auch diese Methoden ihre Unwägbarkeiten: beispielsweise die Abhängigkeit von der Mitarbeit/Sorgfalt des Patienten oder die Gefahr, dass die ärztliche Expertise seitens des Erkrankten irgendwann unterschätzt wird. Diese potenziellen Nachteile können durch eine gute Aufklärung, angemessene Motivation und eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung allerdings wohl meist unkompliziert umgangen werden.
Insgesamt dürften die klinischen, persönlichen und interpersonellen Pluspunkte eines verstärkten Patienten-Empowerments aber deutlich überwiegen – schließlich führt eine aktive Einbindung von chronisch Kranken in die Behandlung nachweislich zu einer stärkeren Therapieadhärenz, besserem Coping und letztlich zu deutlich günstigeren Ergebnissen, wie diverse Studien und umfangreiche Erfahrung mit CED-Patienten, Diabetikern, Herzkranken oder Asthmatikern zeigen.11, 12, 14
Laut einer Studie sind 48 Prozent aller CED-Patienten mit ihrer derzeitigen Behandlung unzufrieden.15 Dabei wollen Betroffene bei der Steuerung und Beurteilung ihrer Erkrankung heute ausdrücklich involviert werden.13, 16 Die eigenständige Fernüberwachung kann – schon durch seltenere, aber meist zielführendere Sprechstundentermine – helfen, die Versorgung zu optimieren, die Lebensqualität zu verbessern und letztlich sogar Kosten zu sparen.13, 17
Auch die verstärkte Nutzung von multimedialen und interaktiven Kommunikationsangeboten wie Apps oder E-Mail kann die Behandlung präzisieren und den Kontakt zum Arzt sogar intensivieren – mit oftmals weniger Aufwand für beide Seiten. Der Aufbau derartiger eHealth-Systeme und Programme ist gerade stark im Kommen, sollte vor Anwendung aber professionell überprüft werden. Wo immer allerdings erste Untersuchungen mit qualitativ hochwertigen Applikationen laufen, lässt sich ein deutlicher Zuwachs an Krankheitskontrolle, Kooperation und allgemeiner Therapiezufriedenheit feststellen.18,19
Referenzen:
1. Sandborn W et al. Subcutaneous golimumab maintains clinical response in patients with moderate-to-severe ulcerative colitis. Gastroenterology 2014; 146:96–109.
2. Laurent Peyrin-Biroulet et al. Implementing the Concept of Continuous Clinical Response Into Clinical Practice for Ulcerative Colitis. Clin Gastroenterol Hepatol. August 2017 Volume 15, Issue 8, Pages 1154–1161.e1
3. Lewis J et al. Use of noninvasive components of the Mayo Score to assess clinical response in ulcerative colitis. Inflamm Bowel Dis 2008;14:1660–1666.
4. Reinisch W et al. Patient-reported outcomes can be used to monitor Continuous Clinical Response in patients with moderately to severely active ulcerative colitis treated with golimumab: results from the PURSUIT Maintenance Study. UEGW 2015. Abstract in Conference Proceedings. October 24–28, 2015, Vienna, Austria.
5. Jairath V et al. Development of interim patient-reported outcome measures for the assessment of ulcerative colitis disease activity in clinical trials. Aliment Pharmacol Ther 2015;42:1200–1210.
6. Higgins P et al. Is endoscopy necessary for the measurement of disease activity in ulcerative colitis? Am J Gastroenterol 2005;100:355–361.
7. Walmsley R et al. A simple clinical colitis activity index. Gut 1998;43:29–32.
8. Peyrin-Biroulet L et al. Selecting Therapeutic Targets in Inflammatory Bowel Disease (STRIDE): determining therapeutic goals for treat-to-target. Am J Gastroenterol 2015;110:1324–1338.
9. Kind P. US FDA guidance: apropos of PROs. Pharmacoeconomics. 2006;24(9):833-6.
10. Vinding K et al. Fecal Calprotectin Measured By Patients at Home Using Smartphones - A New Clinical Tool in Monitoring Patients with Inflammatory Bowel Disease. Inflamm Bowel Dis. 2016 Feb;22(2):336-44.
11. Gibson P et al. Limited (information only) patient education programs for adults with asthma. Cochrane Database Syst Rev 2002;CD001005.
12. Miche E et al. Effects of education, selfcare instruction and physical exercise on patients with chronic heart failure. Z Kardiol 2003;92:985–993.
13. Gandhi S et al. The relationship between coping, health competence and patient participation among patients with inactive inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis. 2014 May;8(5):401-8.
14. Shah S et al. Increasing Patient Activation Could Improve Outcomes for Patients with Inflammatory Bowel Disease. CA. Inflamm Bowel Dis. 2015 Dec;21(12):2975-8.
15. Peyrin-Biroulet L et al. Treatment satisfaction, preferences and perception gaps between patients and physicians in the Ulcerative Colitis CARES Study: a real world-based study. Dig Liver Dis 2016;48:601–607.
16. Baars J et al. Patients' preferences regarding shared decision-making in the treatment of inflammatory bowel disease: results from a patient-empowerment study. Digestion. 2010;81(2):113-9.
17. Bassi A et al. PTU-066 A model to assess the cost of flare in ulcerative colitis (UC) to the NHS. Gut 2014; 63:A67.
18. Elkjaer M et al. E-health empowers patients with ulcerative colitis:a randomised controlled trial of the web-guided ‘Constant-care’ approach.Gut2010;59:1652–1661.
19. Elkjaer M. E-health: Web-guided therapy and disease selfmanagement in ulcerative colitis—impact on disease outcome, quality of life and compliance. Dan Med J 2012;59:B4478.