Die Schicksale, mit denen die Sozialpädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter der Caritas tagtäglich arbeiten, gehen auch an den Experten nicht spurlos vorbei. “Um gewisse Situation auszuhalten, hilft nur eine professionelle Distanz”, berichtet Frank Mach, der Bereichsleiter des Wohlfahrtsverbands im Kreis Groß-Gerau. Vertrauen sei wichtig für den Erfolg der Arbeit, aber keine Freundschaft. Deshalb werden auch alle Klienten gesiezt. “Jeder hat seine eigene Strategie, um mit den Situationen umzugehen”, ergänzt Constanze Mende, die in der Ehe- und Beziehungsarbeit tätig ist. “Es hilft auch, dass wir ein großes Teams sind und Supervisionen haben.”
Unter dem Dach des Caritas-Zentrums in Rüsselsheim wird nahezu die gesamte Beratungspalette angeboten, wenn Menschen in familiäre, psychische oder finanzielle Schieflage geraten sind. Die Flüchtlingshilfe nimmt mittlerweile auch einen sehr großen Raum in der Arbeit der Wohlfahrtsorganisationen der katholischen Kirche ein und wurde zuletzt personell ausgebaut. Vier Standorte im Kreis sind unter dem Dach der Einrichtung vereint. Damit können sich die Experten aus den unterschiedlichsten Beratungsbereichen abstimmen, austauschen und auch Fälle zusammen übernehmen.
“Wir sind bewusst ein offenes Haus und stehen für eine zieloffene Beratung”, erklärt die stellvertretende Leiterin, Jessica Ranitzsch. Die meisten Leute wendeten sich mit einem festen Wunsch an die Caritas. Nicht selten lägen die Probleme aber deutlich tiefer, als zuerst angegeben. Gerade Ingrid Graf von der Allgemeinen Lebensberatung kennt diese Situationen nur zu gut: Die finanzielle Schieflage hängt oft mit der Familie oder Partnerschaft zusammen, psychische Belastungen spielen auch eine Rolle. Als Folge kann die Beratung dann wechseln. “Wenn sich aber bereits ein enges Vertrauensverhältnis entwickelt hat, dann ändern wir nichts gegen den Wunsch unserer Klienten.”
Nach Einschätzung der Diplom-Sozialpädagogin nimmt die Zahl solcher Fälle deutlich zu, dass Menschen wegen Wohnungsnot von der Obdachlosigkeit bedroht sind. Dabei handele es sich vor allem um Hilfesuchende mittleren Alters und Jüngeren. Bei der Suchtberatung, um die sich Andrea Buschmann bei der Caritas in Rüsselsheim kümmert, ist Alkohol das größte Thema. Die Betroffenen würden von Entgiftungskliniken oder über Selbsthilfegruppen kommen.
Auch versuchten Menschen, über eine ambulante Therapie ihr Alkoholproblem in den Griff zu bekommen. Manche wollten so verhindern, dass der Arbeitgeber etwas davon merkt. “Andere wollen einfach nur ihren Alkoholkonsum reduzieren, weil sie merken, dass er ihnen Probleme bereitet”, berichtet Buschmann. In nahezu allen Beratungsbereichen zeigt sich, dass die Ratsuche keine einmalige Angelegenheit ist. Es komme häufig vor, dass die Betroffenen nach einer gewissen Zeit wiederkommen. “Die Leute bekommen eine Dienstleistung und das wissen sie auch”, ist sich Ehe- und Beziehungsberaterin Mende sicher.
Bei Michael Bartsch ist der Beratungs- und Betreuungsbedarf auf den ersten Blick deutlich anders verteilt: Der Sozialarbeiter ist für die Flüchtlinge zuständig, die im Kreis Groß-Gerau ankommen. Hilfe bei Formularen, Umzügen, dem Kindergarten und der Schule seien die Hauptaufgabe. “Es kommt mir oft so vor, dass die Leute dann noch emotional auf der Flucht sind.” Erst wenn ihr Status sicherer sei, dann kämen andere Probleme zum Vorschein. Und die unterschieden sich nicht viel von denen der anderen Hilfesuchenden in der Caritas.
47 Mitarbeiter besetzen nach Angaben von Bereichsleiter Mach 35 Vollzeitstellen im Rüsselsheimer Caritas-Zentrum. Insgesamt hat die Caritas in Hessen mehr als 1000 Einrichtungen mit insgesamt rund 32 000 Ehrenamtlichen und fast 26 000 hauptamtliche Mitarbeitern. Pro Jahr wird nach eigenen Angaben des Verbands rund 700 000 Bürgern geholfen. Die Organisation ist Teil der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen. Neben der Caritas gehören die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk und der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Hessen dem Zusammenschluss an.
Text und Foto: dpa /fw