Junge KlimaaktivistInnen belastet ihr Engagement manchmal seelisch. Fachleute haben sich bei den "Psychologists for future" zusammengeschlossen und bieten auch in Niedersachsen Präventionskurse gegen den Burnout an. Kann Zukunftsangst krank machen?
Ein Jahr nach Start der Fridays for Future-Proteste in Niedersachsen beobachten PsychologInnen, dass die Klimakrise junge Menschen seelisch schwer belasten kann. PsychotherapeutInnen bieten deswegen inzwischen kostenlose Workshops an, etwa in der Region Hannover. Bundesweit haben sich Fachleute bei den "Psychologists for Future" zusammengeschlossen - bei dieser Umweltgruppe von PsychologInnen wollen mittlerweile 400 Ehrenamtliche den KlimaaktivistInnen Beistand leisten.
Die Auseinandersetzung mit der Klimakrise könne zu psychischen Störungen führen, heißt es von der Gruppe. Ein Grund dafür sei die große Zukunftsangst, die das Bewusstwerden des Klimawandels mit sich bringe. Psychologin Lea Dohm aus Stadthagen, Mitgründerin der "Psychologists for Future", sagt: "Klimaaktivisten sind täglich damit konfrontiert, dass unsere Existenz in Gefahr ist."
Dohm sieht es kritisch, dass Demonstrierenden teilweise unterstellt werde, dass sie das Thema krankhaft überziehen - schließlich gebe es eindeutige wissenschaftliche Belege für die Klimakrise.
Existenzängste bei jungen AktivistInnen bemerkt auch Psychologin Kathrin Rott aus Laatzen bei Hannover. Wie einige andere Mitglieder von "Psychologists for Future" bietet die Psychotherapeutin kostenlose Workshops für KlimaaktivistInnen an. Dabei können sie sich aussprechen. "Junge Aktivisten sollten sich eigentlich um ihre eigene Zukunft sorgen. Dabei werden Gedanken an Bildungs- und Jobfragen oft von der Angst überlagert, wie die Welt später aussehen wird."
Zudem sprechen die Teilnehmenden bei Rotts Workshops über innere Konflikte, etwa im Umgang mit Menschen in ihrem Umfeld, von denen sie sich teilweise mit ihren Ängsten nicht verstanden fühlten. Wenn Familie und Freunde ihre Sorge nicht teilen, belaste dies einige der jungen AktivistInnen teilweise sehr.
Lou Töllner, Sprecherin der Fridays for Future-Gruppe Hannover, besuchte einen der Burnout-Workshops. Frustrierend sei das Gefühl, von der Politik alleingelassen zu sein, sagt sie. "Wir hören immer: "Gebt nicht auf, macht weiter so!" Das ist eigentlich absurd", findet Töllner. "Es gibt Politiker, die bezahlt werden, um sich für das Klima einzusetzen. Und trotzdem lastet die Verantwortung allein auf unseren Schultern."
Jeden Tag spüre sie die extreme Dringlichkeit der Klimakrise, sagt die 18-Jährige. Dabei erzeugten soziale Medien zusätzlichen Druck: "Der Dauerfeed führt einem in Echtzeit vor Augen, wie alles den Bach runtergeht." Darüber hinaus gebe es Drohungen - die seien aber selten ernst gemeint. Trotz hoher Belastung ist sie aber weiter extrem motiviert, sich gegen den Klimawandel einzusetzen.
Angstgefühle von Engagierten seien in jedem Fall ernst zu nehmen, findet Umweltpsychologe Gerhard Reese. Eine psychische Belastung für KlimaaktivistInnen kann aus Sicht des Professors der Universität Koblenz-Landau vor allem aus der ständigen Alarmbereitschaft und der starken Beschäftigung mit den Missständen resultieren. "'Ihr verspielt unsere Zukunft', das sagt doch niemand aus Lust und Laune", meint Reese.