Inzwischen sind Dutzende in Deutschland infiziert: Das neue Coronavirus Sars-CoV-2 breitet sich aus. Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Weltärztebundes, warnt vor Panik.
Deutschland wird Fachleuten zufolge mit dem neuen Coronavirus dauerhaft leben müssen. Der Virologe Christian Drosten erwartet, dass Deutschland in Europa eines der Länder mit den höchsten Fallzahlen wird, "weil unsere Bevölkerung sehr reisefreudig ist", wie der Experte von der Berliner Charité sagte. Deutschlands südliches Nachbarland Schweiz hat bis mindestens 15. März alle Großveranstaltungen verboten. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, rechnet frühestens 2021 mit einem Impfstoff - warnt aber vor Panik.
Trotz der neuen Fälle sieht das Robert Koch-Institut in Deutschland kein breites Krankheitsgeschehen. Insgesamt bleibe es bei der Einschätzung, dass das Risiko gering bis mäßig sei, sagte der RKI-Vizedirektor Lars Schaade am Freitag.
In den Niederlanden wurde erstmals eine Infektion bestätigt. Damit sind in Europa nun mindestens 18 Länder betroffen, wie aus der Statistik des europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervorgeht. Laut RKI hat sich die Zahl der Fälle weltweit auf mehr als 83.000 Personen in 52 Ländern erhöht.
"In ein paar Jahren werden wir mit einer weiteren grippeartigen Erkrankung leben, die COVID-19 heißt und gegen die wir impfen können. Jetzt gilt es den Übergang zu managen", sagte Montgomery.
Virologe Drosten sagte: "Wir müssen uns fragen, in welcher Geschwindigkeit so 60 bis 70 Prozent der deutschen Bevölkerung mit diesem Virus jetzt Erfahrung machen wird." Wenn das in mehreren Wochen - statt über einen Zeitraum von zwei Jahren - geschehe, wäre es das Schlimmste, was passieren könnte. "Wir werden in den nächsten Tagen sehen, dass neue Fälle und kleine Fallgruppen wie die Pilze aus dem Boden schießen werden."
Die Schweiz griff zu einer drastischen Maßnahme und verbot alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmenden. Das teilte Innenminister Alain Berset mit. Das Verbot soll bis mindestens 15. März gelten. Das betrifft unter anderem den Genfer Autosalon, der am 5. März starten sollte und zu dem jedes Jahr mehr als 600.000 Besucher kommen. Ebenso trifft es die Basler Fasnacht, die am 24.02. beginnen sollte.
"Wir wollen weitere Ansteckungen so gut es geht in Grenzen halten", sagte Berset. Die große Ausbreitung des Virus in den vergangenen Tagen in den Nachbarländern Deutschland und Italien sowie die ersten bestätigten Fälle in der Schweiz hätten zu einer neuen Lagebeurteilung geführt. Bürogebäude mit mehr als 1.000 Personen würden nicht geschlossen, sagte Berset. "Dort können sich die Personen frei bewegen und können die Hygienevorschriften umsetzen."
Am späten Abend des 27.02. wurden die ersten Fälle in Norddeutschland und in Hessen gemeldet. Insgesamt stieg die Zahl der in dieser Woche bestätigten Infektionen innerhalb eines Tages auf mehr als 30. Betroffen sind bislang die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Hessen.
Allein in NRW sollen geschätzt rund 1.000 Menschen in Quarantäne sein. Der Krisenstab der Bundesregierung berät über weitere Vorkehrungen gegen das neue Virus. Daneben waren schon vor mehreren Wochen 16 weitere Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet worden - diese Menschen gelten inzwischen alle als virusfrei.
Der Krisenstab der Bundesregierung soll unter anderem über den Umgang mit Großveranstaltungen wie Messen beraten. So geht es um Auswirkungen auf die Internationale Tourismusbörse (ITB), die am 4. März in Berlin beginnen soll. Auch für andere Veranstaltungen könnten Kriterien entwickelt werden, nach denen Behörden vor Ort dann über mögliche Beschränkungen entscheiden können.
Die meisten Sars-CoV-2-Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, hieß es vom RKI. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung. Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Infizierten, weit mehr als bei der Grippe.
Die Bundesregierung sucht auch nach Lösungen, um Schutzausrüstung etwa für medizinisches Personal verfügbar zu halten. "Wir müssen uns auf eine Knappheit in dem Bereich einstellen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Daher solle geschaut werden, welche Lagerbestände es in Deutschland gebe.
Der Krisenstab hat schon erste zusätzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. So sollen auch Reisende, die mit Maschinen aus Südkorea, Japan, Iran und Italien kommen, Angaben zu ihrer Erreichbarkeit nach der Landung machen. Dies gilt bereits für Direktflüge aus China.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte, das Gesundheitssystem hierzulande sei aktuell gut ausgerüstet und aufgestellt. Deutschland habe weltweit mit die höchste Dichte an Krankenhäusern und Klinikbetten.
Auch die Wirtschaft bekommt die Furcht vor der Virus-Ausbreitung zunehmend zu spüren: Der wichtigste deutsche Aktienindex Dax fiel um mehr als fünf Prozent. Die Sorge um die Folgen der Coronavirus-Ausbreitung belasten seit Tagen die Finanzmärkte weltweit und drückten am Morgen bereits die Börsen in Asien tiefer ins Minus.
In China, dem Ursprungsland des Virus, stieg die Zahl der Todesopfer und Infizierten weiter an. Wie die Pekinger Gesundheitskommission mitteilte, kamen landesweit 327 nachgewiesene COVID-19-Erkrankungen hinzu, womit die Gesamtzahl der offiziell bestätigten Fälle auf dem chinesischen Festland bei fast 79.000 liegt. Die Zahl der Toten kletterte um 44 auf 2.788.
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