Immer wieder demonstrieren AbtreibungsgegnerInnen vor Beratungsstellen oder Arztpraxen. Die Linke will diesen Kundgebungen per Gesetz einen Riegel vorschieben. Es gibt aber Zweifel, ob eine solche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.
Die Gießener Ärztin Kristina Hänel unterstützt eine Gesetzesinitiative der Linke-Fraktion in Hessen zu Schutzzonen vor Kliniken und Arztpraxen. Damit sollen AbtreibungsgegnerInnen auf Abstand gehalten werden. Hintergrund ist, dass diese immer wieder vor solchen Einrichtungen oder auch vor Beratungsstellen Mahnwachen veranstalten.
"Frauen wollen ja gerade eben in dieser sehr intimen und unangenehmen Situation nicht gesehen und erkannt werden", schrieb Hänel in einer Stellungnahme zu einer Expertenanhörung im hessischen Landtag. "Für sie entspricht der Gang in die Praxis einem Spießrutenlauf, in dem ja früher Verurteilte durch eine Gasse gehen mussten und Stockschläge bekamen."
Die oppositionelle Linke-Fraktion begründet ihren Gesetzesvorstoß damit, dass zunehmend auch in Hessen religiöse Fundamentalisten solche Einrichtungen belagerten. Sie schlägt deshalb vor: "In einem Umfeld von ca. 150 Metern werden zu Öffnungstagen von Beratungs- oder Behandlungsstellen Versammlungen beschränkt, sofern sie sich thematisch auf die Aufgaben der Schwangerschaftskonfliktberatung beziehen." Ob der Gesetzesentwurf eine Mehrheit im Landtag finden wird, ist unklar. CDU und Grüne bilden zusammen die Regierungsmehrheit.
RechtsexpertInnen äußerten große Zweifel, ob der Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist. Aus Sicht des Juraprofessors Bernd Grzeszick von der Universität Heidelberg verletzt er unter anderem die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in unzulässiger Weise. Der Rechtsexperte verweist in seiner Stellungnahme auf andere Verbotsmöglichkeiten. Auch der Deutsche Juristinnenbund in Hessen schrieb: "Höchst fraglich ist bereits, ob das Land ein derartiges Spezialgesetz erlassen darf." Der Mainzer Juraprofessor Friedhelm Hufen hat dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Gießener Ärztin Hänel selbst nimmt in ihrer Praxis Abtreibungen vor und sieht sich deshalb Anfeindungen und sogar Morddrohungen ausgesetzt. Für ÄrztInnen und PraxismitarbeiterInnen gebe es durch Demonstrationen von AbtreibungsgegnerInnen auf dem Gehweg eine "real gefühlte" Bedrohung. "Wir als Betroffene wissen ja nie, ob jemand, der uns gerade eine Morddrohung geschickt hat, nicht auch jetzt dort draußen vor der Praxis steht und mitdemonstriert", schrieb sie.