Durch Krankheitserreger aktivierte Immunzellen nehmen einander wahr und steuern so die eigene Vermehrung. Diese Erkenntnis könnte zukünftig auch Immuntherapien gegen Krebs verbessern helfen.
Ein einfacher, bislang von Bakterien bekannter Mechanismus sorgt dafür, dass das Immunsystem nach einer Infektion die Balance zwischen der schnellen Vermehrung von Immunzellen und einer überschießenden selbst-schädigenden Reaktion findet. Das hat jetzt ein wissenschaftliches Team vom Universitätsklinikum Freiburg gemeinsam mit Forschenden aus den Niederlanden und Großbritannien entschlüsselt.
Durch eine Infektion werden T-Zellen schnell aktiviert, was zu deren Vermehrung führt. Das Forschungsteam zeigte nun, dass sich diese Zellen gegenseitig wahrnehmen können und anhand der T-Zelldichte gemeinsam entscheiden, ob sie sich weiter vermehren oder nicht. Der neu entdeckte Mechanismus könnte auch zur Verbesserung von Krebs-Immuntherapien beitragen.
"Wir konnten zeigen, dass sich Immunzellen gegenseitig wahrnehmen und miteinander kommunizieren. Die Immunzellen arbeiten dann als Team und nicht als Einzelkämpfer“, sagte Studienleiter Dr. Jan Rohr, Wissenschaftler am Centrum für Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg. "Dieses Prinzip der Dichte-Kontrolle von Immunzellen ist einfach und sehr wirksam. Das macht es zuverlässig und zugleich hoffentlich zugänglich für therapeutische Ansätze", so Rohr.
Bei niedriger Dichte unterstützen sich die T-Zellen gegenseitig in ihrer Vermehrung. Sobald dadurch ein Schwellenwert der Zelldichte erreicht wird, schlägt die gegenseitige Unterstützung in eine gegenseitige Hemmung um, die die weitere Zellvermehrung verhindert. Dieser Mechanismus führt dazu, dass anfänglich schwache Immunreaktionen effizient verstärkt und andererseits überschießende und somit potenziell gefährliche Immunreaktionen wirksam gebremst werden.
Diese Erkenntnis wirft ein neues Licht auf die Immuntherapie bei Krebs. Tumoren schützen sich durch die Unterdrückung des Immunsystems. Darum werden bei bestimmten Immuntherapien den PatientInnen T-Zellen entnommen, im Labor fit gegen den Krebs gemacht, vermehrt und schließlich wieder den PatientInnen zurückgegeben. Bislang werden dabei meist hohe Zellzahlen verabreicht, um die Therapie besonders wirksam zu machen. "Möglicherweise schalten sich die Immunzellen gegenseitig aus, wenn sie wie bisher einmalig in hoher Zellzahl verabreicht werden. Die wiederholte Gabe weniger Immunzellen könnte die Tumorzellen vielleicht wirksamer bekämpfen", sagte Rohr. Inwieweit dies aktuelle Therapieansätze verbessern könnte, muss in weiteren Untersuchungen überprüft werden.
Für ihre Untersuchungen erforschten die WissenschaftlerInnen die Immunzellen mittels mikroskopischer Zeitrafferaufnahmen und genetischer Analysen im Labor. Auf Grundlage der dabei erzielten Erkenntnisse wurde von WissenschaftlerInnen der Universität Leiden, Niederlande, ein mathematisches Modell der T-Zell-Interaktion erstellt.
Dadurch konnten sie die quantitative Beziehung zwischen der Dichte der T-Zellen und den wachstumsstimulierenden bzw. -hemmenden Signalen, die T-Zellen zueinander senden, bestätigen. Schließlich wurden diese Modelle im Tiermodell überprüft.