Eine Mittfünfzigerin liegt nach einem Herzinfarkt und einer Infektion in der Bauchhöhle im Sterbe-Hospiz. Im Krankenzimmer um sie herum hängen Poster und Schals des 1. FC Kaiserslautern. Ihr Herzenswunsch: Noch einmal ein Spiel des Fußballclubs sehen. Der Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) brachte die Frau im vergangenen Jahr dorthin.
"Als wir ins Zimmer kamen, schwang sie die Decke zurück und wollte sofort los", erinnert sich Karl-Heinz Pfaff, der ehrenamtlich für den ASB Worms den Wünschewagen begleitete. Er half der Frau in den Wagen, der ein umgebauter Krankenwagen ist, und fuhr mit ihr vom Hospiz in Luxemburg nach Kaiserslautern. Als er sie im Rollstuhl ins Stadion brachte, hielt der FCK-Fanclub, zu dem die Frau gehörte, ein Banner mit "Willkommen zurück" in die Höhe. Keine zwei Wochen später war die Frau tot.
Die Fahrt war die Pilotfahrt für den Wünschewagen des ASB Rheinland-Pfalz. Am (morgigen) Donnerstag wird das Fahrzeug offiziell vorgestellt, das künftig zahlreichen Menschen mit kurzer Lebenserwartung einen innigen Wunsch erfüllen soll. Das Angebot setze da an, wo Angehörige allein überfordert seien, erklärt Karina Dingebauer vom ASB. "Zum Beispiel wenn ein Fahrgast nur liegend transportiert werden kann oder pflegerische oder medizinische Betreuung benötigt."
Bisher gibt es solche Wagen in acht Bundesländern; der erste fuhr vor zwei Jahren im Ruhrgebiet. In Hessen wird in Kürze ebenfalls ein solcher Spezialwagen starten. Das Fahrzeug unterscheidet sich von normalen Krankenwagen durch eine Rundum-Verglasung, so dass der Fahrgast zu allen Seiten hinausschauen kann. Alle medizinischen Geräte an Bord sind in Schränken versteckt. Der ASB verwendet eine bequemere Trage und eine richtige Decke mit Kopfkissen. Außerdem gibt es ein DVD-System und ein vom Fahrer unabhängiges Soundsystem.
Die Fahrgäste könnten eine Begleitung mitnehmen, und auch für diese sei die Fahrt kostenlos, erklärt Dingebauer. Finanziert werde der Wünschewagen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen des Arbeiter-Samariter-Bundes. Eine Altersbeschränkung gebe es nicht, fährt Dingebauer fort: "Der Wünschewagen fährt leider ja auch für Kinder."
Mit einem Fahrzeug des ASB in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wurde die neun Jahre alte Gianna, die an einer neurodegenerativen Grunderkrankung leidet, zum St.-Martins-Umzug in ihrer ehemaligen Schule begleitet. Ein andermal fuhr der Wünschewagen eine 27-Jährige mit Brustkrebs und Hirn-, Knochen- und Lebermetastasen für einen Tag ans Meer. Ein 64-Jähriger schaffte es dank des Fahrzeugs, trotz seiner Krebserkrankung bei der Hochzeit seiner Tochter dabei zu sein.
Der Fachkrankenpfleger und Notfallarzt Pfaff hält den Wünschewagen für eine großartige Sache. Nach dem Fußballspiel habe er die Mittfünfzigerin in ihr Hospiz zurückgebracht, wo sie mitten in der Nacht herzlich von den Pflegekräften empfangen wurde. "Da weinten auf einmal alle - das waren Freudentränen", erinnert sich Pfaff. Wenig später habe er der Frau einen Rahmen mit der Eintrittskarte des Spiels und Fotos überreichen wollen - aber dazu kam es nicht mehr. "Das hat mich getroffen. Denn ich hatte sie nicht als Sterbende erlebt."