Homöopathie als Alternative zu Antibiotika? Das ist PolitikerInnen in Bayern einen Versuch wert. Spott und heftige Kritik lassen nicht lange auf sich warten.
So viel Wirbel haben CSU und Freie Wähler wohl nicht erwartet. Anfang November hatte der bayerische Landtag beschlossen, eine Studie dazu in Auftrag zu geben, ob mit Hilfe homöopathischer Präparate der Einsatz von Antibiotika verringert werden kann. Die Reaktion: Empörung und Spott. Experten verreißen das Projekt, Satiremedien spießen es auf.
Auch Stephan Sieber von der Technischen Universität München hat kein Verständnis für das Vorhaben. "Ich bin überrascht, dass die Studie in Auftrag gegeben wird und weiß nicht, welchen Mehrwert das bringen soll", sagt er. "In der Wissenschaft gibt es keine Belege dafür, das Homöopathie wirkt." Sieber ist Professor am Lehrstuhl für organische Chemie und forscht seit Jahren zur Entwicklung neuer Antibiotika.
"Ich verstehe die Aufregung nicht", sagt hingegen der CSU-Politiker Bernhard Seidenath. "Jeder keilt sich an dem Thema Homöopathie fest." Dieses komme nur am Rande vor und sei Teil eines größeren Maßnahmenpaketes, mit dem multiresistente Keime bekämpft werden sollen. Der Landtagsabgeordnete aus Dachau hatte daran federführend mitgewirkt.
Mit Stimmen von CSU, Freien Wählern und Grünen hatte der Landtag am 7. November beschlossen, untersuchen zu lassen, "wie ein reduzierter Antibiotikaeinsatz im medizinischen Bereich realisiert werden kann". "Auch soll in diesem Zusammenhang eine mögliche positive Rolle von gegebenenfalls ergänzend verabreichten homöopathischen Präparaten beleuchtet werden", heißt es in dem Antrag.
Homöopathie könne weder den Einsatz von Antibiotika reduzieren noch die Abwehrkräfte stärken, wie es in dem Antrag heißt, betont Professor Sieber. "Auf einer wissenschaftlichen Grundlage müssen Sie mit einem Wirkstoff Bakterien töten. Dazu benötigen Sie Konzentrationen, die mit der Homöopathie nie erreicht werden."
Als besonders umstritten gilt ein Passus des Antrags, in dem einer homöopathischen Behandlung unter Berufung auf eine nicht näher genannte Studie ein Nutzen bei einer schweren Sepsis zugesprochen wird. "Das ist höchst gefährlich", erklärt Sieber. "Bei einer schweren Sepsis muss die bakterielle Last gesenkt werden. Das geht mit Antibiotika", so der Experte. "Der Nutzen einer homöopathischen Zusatzbehandlung ist nicht erkennbar."
CSU-Mann Seidenath beeindruckt die Kritik kaum. "Wir wollen versuchen, alle Register zu ziehen, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten und Resistenzen zu vermeiden." Dafür dürfe nichts unversucht und nichts ununtersucht bleiben. Er hält das Geld für die Studie - Seidenath geht von rund 300.000 bis 400.000 Euro Kosten aus - für "sinnvoll investiert".
Nun muss die bayerische Staatsregierung die Analyse in Auftrag geben. Einen Zeitplan gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums noch nicht. Aus der Behörde heißt es, nichts spreche gegen eine Studie, "sofern diese - vorzugsweise durch eine universitäre Einrichtung - nach wissenschaftlichen Kriterien konzipiert und durchgeführt wird".
Doch auch im Ministerium ist eine gewissen Skepsis spürbar. Die Wirksamkeit vieler homöopathischer Methoden sei nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht nachgewiesen, sagt ein Sprecher. "Die Ergebnisse geben keine belastbaren Hinweise auf eine Wirksamkeit, welche über die bekannten positiven Placebo-Effekte von Ritualen, Gespräch und Zuwendung hinausreichen."
In Deutschland gehört Homöopathie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen. Allerdings erstatten viele Kassen Behandlungskosten für Naturheilverfahren, weil es eine Nachfrage dafür gibt und weil dies ein Instrument im Konkurrenzkampf ist. Dies ist immer wieder Anlass für Debatten. In Frankreich sollen homöopathische Arzneimittel mangels erwiesener Wirksamkeit ab 2021 nicht mehr erstattet werden.
Im Kampf gegen multiresistente Keime hatte Bayerns Staatsregierung 2017 einen Aktionsplan verabschiedet. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) setzt vor allem auf einen verantwortungsvollen und reduzierten Umgang mit Antibiotika. Auch Experte Sieber sagt: "Der Einsatz von Antibiotika lässt sich am wirksamsten dadurch verringern, dass sie zum Beispiel nicht bei viralen Infektionen eingesetzt werden."