Die Länder wollen das Zocken im Internet erlauben - zum Entsetzen der Suchthilfe. Fachleute befürchten mit der Freigabe von Online-Casinos schwerwiegende Folgen.
Fachleute der Suchthilfe haben die von den Bundesländern geplante Reform des deutschen Glücksspielmarkts scharf kritisiert. "Die beabsichtigte Legalisierung von Online-Glücksspielen ist ein Tiefschlag für die Suchthilfe", sagte Steffen Goller von der Thüringer Fachstelle Glücksspielsucht in Erfurt. Online-Casinospiele hätten ein extrem hohes Suchtpotenzial, warnte Goller. Offensichtlich sei ein Paradigmenwechsel erfolgt, bei dem der Schutz vor den Gefahren von Glücksspielen nun hinter wirtschaftlichen Interessen nur noch nachrangig sei.
Die Bundesländer hatten sich Ende Januar auf eine Neuregelung des milliardenschweren deutschen Glücksspielmarkts geeinigt. Demnach sollen bisher illegale Glücksspiele im Internet wie Online-Poker oder Online-Casinos künftig erlaubt werden. Vorgesehen sind zugleich Regeln zum Spielerschutz wie ein monatliches Einzahlungslimit von 1.000 Euro und die Einführung einer Sperrdatei. Auch eine neue zentrale Glücksspielbehörde der Länder soll es geben.
Goller kritisierte das Einzahlungslimit als viel zu hoch. Es dürfte ihm zufolge höchstens im dreistelligen Bereich liegen. Auch den Kinder- und Jugendschutz hält er für unzureichend. Mit der Legalisierung der Glücksspiele im Internet werde zugleich die Werbetätigkeit massiv ansteigen und genau die Zielgruppen triggern, die davor eigentlich geschützt werden sollten. "Wir müssen das dann auslöffeln", sagte Goller. Die Politik scheine sich der Dimension des Problems nicht bewusst zu sein, denn mit der Freigabe würden Glücksspiele normalisiert.
Derzeit kämen etwa 80 Prozent der Glücksspielsüchtigen in den Beratungsstellen wegen Automatenspielen in Spielhallen und Gaststätten. Mit der Legalisierung der suchtriskanteren "virtuellen Automatenspiele" werde sich dieses Verhältnis relativ bald ändern, schätzte der Fachmann.
Derzeit hat als einziges Bundesland Schleswig-Holstein Lizenzen für Online-Glücksspiele vergeben. Bislang illegale Angebote wie Online-Casinos und Online-Poker werden allerdings faktisch weitgehend geduldet. "Wenn das bestehende Verbot wahrnehmbar kontrolliert worden wäre, hätten wir das Problem des boomenden Schwarzmarktes erst gar nicht gehabt", sagte Goller. Eine Legalisierung von Online-Glücksspielen wäre aus Sicht der Suchthilfe nur dann akzeptabel, wenn der Staat auch selbst als Anbieter auftreten und hohe Anforderungen an den Spielerschutz stellen würde.
In Thüringen gelten den Angaben zufolge rund 11.000 Menschen als spielsüchtig. Seit 2008 suchten mehr als 1.730 Spielende wegen einer Suchtproblematik eine der derzeit landesweit 28 psychosozialen Beratungsstellen auf. Pathologische Glücksspielende im ambulanten Suchthilfesystem in Thüringen sind überwiegend männlich und zwischen 20 und 39 Jahre alt.
Fast zwei Drittel der Hilfesuchenden wendete sich vornehmlich wegen finanzieller Probleme an die Beratungsstellen. Die durch Glücksspiel verursachte Schuldenhöhe liege bei ihnen im Schnitt bei knapp 50.600 Euro, hieß es.