Alkohol und illegale Drogen können Menschen in die Isolation treiben. Doch was ist, wenn die Isolation wegen einer Pandemie zum Alltag wird? Und soziale Kontakte daher auf Eis liegen?
Keine persönlichen Treffen, kein Austausch in Selbsthilfegruppen, geschlossene Beratungsstellen: Die Corona-Krise hat auch in der Suchthilfe Spuren hinterlassen. "In Zukunft wird es in der sozialen Arbeit darum gehen, digitale und individuelle Angebote miteinander zu verbinden", sagte die Bereichsleiterin für Sucht- und Drogenhilfe beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Baden-Württemberg, Sabine Oswald. Darin liege zwar auch eine große Chance, doch: "Diese Angebote können die persönliche Beratung in der Suchthilfe nicht ersetzen, nur ergänzen."
Die Anonymen Alkoholiker (AA) in Baden-Württemberg und bundesweit etwa mussten ihre Treffen ins Netz verlegen. Mit Zoom-Meetings, Skype und Telefonkonferenzen sei man in den vergangenen Wochen über die Runden gekommen, hieß es von der Selbsthilfeorganisation. Persönliche Treffen seien auch heute noch nicht überall möglich, weil die meisten Gruppenräume geschlossen seien.
Die digitalen Treffen hätten zumindest technisch erstaunlich gut funktioniert, sagte Jürgen von den Anonymen Alkoholikern in Baden-Württemberg, der selbst unter einer Alkoholsucht litt. Ein Fan von Telefonkonferenzen sei er nicht, weil man das Gesicht, die Mimik und Haltung seines Gegenübers nicht sehe. Dies sei aber wichtig, um einschätzen zu können, wie es der Person wirklich gehe.
Gerade für Menschen, die sich erst vor wenigen Wochen gegen den Alkohol entschieden hätten, sei die Corona-Pandemie eine Bewährungsprobe. Rückfälle seien wahrscheinlicher, wenn der Wunsch zur Abkehr noch frisch, aber kein persönlicher Austausch möglich sei. Isolation befeuere jede Sucht.
"Es ist wirklich ein Teufelskreis", sagte die Medizinerin Helmtraud Kantor. Sie ist Chefärztin der Abteilung Suchterkrankungen am Zentrum für Psychiatrie (ZFP) Südwürttemberg in Weißenau bei Ravensburg und kümmert sich um Menschen mit Alkohol- und Drogenproblemen. Bei den PatientInnen sei wegen Corona viel Vorsicht zu spüren. Viele von ihnen rauchen und hätten Vorerkrankungen, seien damit also Teil der Risikogruppe. Dies hindere einige daran, das Haus zu verlassen und sich Hilfe zu holen.
Die Suchtambulanz am ZFP sei aktuell nur zu 70, 80 Prozent ausgelastet, stationär sei auch deutlich weniger los, sagte die Chefärztin. Das sei beunruhigend. Wie sich die Lage in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln werde, sei schwer abzusehen: "Bis jetzt ist die Verunsicherung der Menschen noch spürbar."