Isolation, finanzielle Sorgen und Langeweile könnten den Griff zu Alkohol oder das Zocken im Online-Casino befördern. Dass Spielhallen und Kneipen in Corona-Zeiten dicht sind, sehen Fachleute aber auch als Chance.
Die Corona-Pandemie erhöht Fachleuten zufolge das Risiko für Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie für das Zocken im Online-Casino. Zugleich könnten sich geschlossene Kneipen und Spielhallen aber möglicherweise auch positiv auf das Suchtverhalten auswirken, hieß es beim Fachverband Glücksspielsucht und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).
Vielen Menschen fehle eine feste Tagesstruktur, sie seien isoliert und in Sorge um ihre Zukunft, schilderte DHS-Expertin Christina Rummel. "Die Leute wollen Druck rausnehmen und sich - vermeintlich - mit Alkohol entspannen." Dabei sei vielen nicht bewusst, dass das Trinken schnell zur Gewohnheit werden könne, die Dosis dann steige, um "besser drauf zu sein" - und so eine Alkohol-Abhängigkeit drohe.
Mit Blick auf illegale Drogen sagte Rummel, die Gefahr für Suchtkranke, in alte Muster zu verfallen, sei in Stresslagen besonders groß. Umso wichtiger sei es, auch gemeinsam mit Fachkräften der Suchtberatung und Suchthilfe vor Rückfällen zu schützen und abstinentes Verhalten zu festigen. Beratungsstellen seien aber in großer Sorge, dass ihnen bei einem längeren Andauern der Corona-Krise die Förderungen gekürzt oder entzogen würden.
Es sei anzunehmen, dass manche SpielerInnen angesichts der geschlossenen Kneipen mit aufgestellten Spielautomaten nun das Medium wechselten und online um Geld zockten, meinte Rummel. Das könne man aber keineswegs pauschal sagen und für Schätzzahlen sei es auch hier noch zu früh.
Nach Angaben des Fachverbands Glücksspielsucht spielen deutschlandweit knapp 500.000 Menschen in problematischen Ausmaßen um Geld. Spielsucht sei gegeben, wenn man immer wieder versuche, Verluste mit erneuten Einsätzen auszugleichen, das Spielen fester Bestandteil des Alltag sei und im Extremfall das Leben bestimme, erläuterte Selbsthilfereferent Hartmut Görgen.
Es könne sich auch durchaus positiv auf das Suchtverhalten auswirken, dass die Spielhallen dicht sind. Mehrere SpielerInnen hätten berichtet, dass die Schließungen gut für sie seien, schilderte Görgen. Da ihnen klar sei, dass sie aktuell in den Spielstätten keine Gelegenheit zum Zocken hätten, kreisten ihre Gedanken weniger um das Thema, das Verlangen nehme ab. Görgen betonte: "Jeder spielfreie Tag hilft, um in Richtung Abstinenz zu kommen."
Mit Blick auf Suchtrisiken kann aber auch das Dauerzocken daheim riskant sein. "Die Einschränkung der sozialen Kontakte und damit oft einhergehende Monotonie, soziale Isolation, das Empfinden von Einsamkeit, Perspektivlosigkeit oder auch depressiver Verstimmung können das Risiko erhöhen, mehr alkoholische Getränke zu konsumieren, stärker zu rauchen oder sich im Übermaß mit Online-Spielen die Zeit zu vertreiben", sagte Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
"In diesen Fällen ist auch das Suchtrisiko - und insbesondere das Rückfallrisiko für ehemals von einer Suchterkrankung Betroffene - erhöht." Hinzu komme, dass laufende ambulante Therapien unterbrochen sein können, was den Behandlungserfolg gefährden könne.